Nicht nur die EU-Richtlinien für Medizinprodukte, sondern auch eine EU-Verordnung legen die Anforderungen an die Gebrauchsanweisung („instructions for use“) fest. Ob diese elektronisch vorliegen dürfen, regelt die Verordnung 207/2012.
Besonders für aktive Medizinprodukten sind die Regelungen an elektronische Gebrauchsanweisungen interessant.
Regulatorische Anforderungen an die Gebrauchsanweisung
Forderungen der 93/42/EWG (MDD)
Die Anforderungen an Gebrauchsanweisungen („instructions for use“) finden sich als 13. Punkt der grundlegenden Anforderungen in der Medizinprodukterichtlinie.
Dazu, ob Gebrauchsanweisungen elektronisch vorliegen dürfen, machen weder die MDD noch die MDR Aussagen. Diese Vorgaben finden sich in der Verordnung 207/2012.
Forderungen der Verordnung 207/2012
Die EU Verordnung 207/2012 erlaubt, diese Informationen unter Umständen auch elektronisch zur Verfügung zu stellen. Mehr dazu im nächsten Kapitel.
Elektronische Gebrauchsanweisung gemäß 207/2012
Gemäß EU Verordnung 207/2012 darf die Gebrauchsanweisung statt auf Papier auch elektronisch vorlegen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Produkt fällt in eine bestimmte Geräteklasse
- AIMD einschließlich Zubehör und Programmierung
- Implantierte MD
- Festinstallierte MD z.B. Kernspintomograph
- MD und AIMD mit integrierter Benutzerführung bzw. elektronischer Hilfe
- standalone Software
- und die Geräte und Zubehör sind ausschließlich für Professionals
- und eine Risikoanalyse liegt vor, die untersucht
- Erfahrung der Nutzer mit Bezug zu dem Gerät
- Nutzungskontext (hat der überhaupt Computer zur Verfügung)
- Folgen, wenn auf IFU nicht zugegriffen werden kann (z.B. Internet ist nicht verfügbar)
- Schutz vor Verfälschung der IFU
- Zeitspanne, bis Nutzer eine Papierversion bekommen kann
- und dabei Marktüberwachungsdaten berücksichtigen
- und die Gebrauchsanweisung IFU kann in Papier in <7 Tagen verfügbar gemacht werden
- und eine „Mini-Gebrauchsanweisung“ für den Notfall und die Installation liegt vor (wo man auch erkennen kann, wo man Papierversion bekommt)

Mobile Medical Apps
Über meine Auditsprechstunde erreicht mich die Frage, ob man auch bei Mobile Medical Apps eine physische Gebrauchsanweisung – also eine in Papierform – beilegen müsse und wenn ja, wie das realisiert werden könne. Die kurze Antwort wäre: Das oben Gesagte.
Den rechtlichen Rahmen gibt wie oben geschrieben die Verordnung 207/2012. Sie besagt, dass wenn die Anwender keine ausschließlich professionellen Nutzer sind, es eine gedruckte Gebrauchsanweisung geben muss. Der Verzicht auf Papier ist also nur bei Professionals möglich, und selbst für diese muss die Papiervariante zumindest angeboten werden.
Definition: Professionelle Nutzer
„Personen, die die Medizinprodukte in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit und im Rahmen einer professionellen Gesundheitsdienstleistung nutzen“
Quelle: Verordnung 207/2012
Das passt im App-Umfeld oft schlecht. Nun geht es eher darum, wie man damit umgeht. Man kann die Nutzung davon abhängig machen, dass die Anwender die Gebrauchsanweisung wirklich bestellen und gelesen haben. Beispielsweise könnte in der Gebrauchsanweisung ein (personalisiertes) Passwort stehen.
Das ist Ihnen zu viel Aufwand, und Sie möchten das lieber umgehen? Dann würden Sie in der App nur dazu auffordern, dass man die Papiervariante bestellt, und darauf hinweisen, dass eine Nutzung ohne vorheriges Lesen nicht erlaubt ist. Allerdings müssten Sie dann im Risikomanagement untersuchen, was bei einem — von Ihnen fast provozierten — vorhersagbaren Missbrauch passieren kann, dass man nämlich das Produkt ohne die Gebrauchsanweisung nutzt. Wenn sich die vermuteten Risiken als absolut akzeptabel erweisen, wird auch ein Auditor nicht protestieren.
Ich sehe aber noch ein anderes Problem: Die Adressdaten bräuchten Sie nicht nur für die Zusendung der Gebrauchsanweisung, sondern auch für eine Kontaktaufnahme beispielsweise im Fall eines Rückrufs. Sie sollten wissen, wer (welche Version) Ihrer Software nutzt.