Ein Design Change ist eine Änderung der Auslegung eines Produkts. Es ist wichtig zu verstehen, wann solch eine Änderung als Significant Design Change zählt. Denn bei einem „Significant Design Change“ müssen meist Behörden und Benannte Stellen informiert und das Produkt muss neu zugelassen werden.
Bei einem „Significant Design Change“ können sich Hersteller in Europa nicht mehr auf die Übergangsfristen berufen, die die MDR im Artikel 120 gewährt.
Ebenso sind die Hersteller von bisherigen Klasse-I-Produkten betroffen, die unter der MDR erstmalig eine Benannte Stelle einbeziehen müssen.
Lesen Sie hier, welche Designänderungen als signifikant gelten. Damit vermeiden Sie Gesetzesverstöße, die sogar mit Freiheitsstrafen geahndet werden!
Infografik zum kostenlosen Download! Damit Sie schnell und sicher entscheiden können, ob ein Design Change signifikant ist. Mit diesem Wissen vermeiden Sie Ärger mit Behörden!
1. Design Change: Was darunter zu verstehen ist
a) Definition
Die deutsche Ausgabe der Richtlinie übersetzt „Design Change“ als „Änderung der Auslegung“ des Produkts. D.h. immer dann, wenn sich am Entwurf des Medizinprodukts etwas ändert, liegt eine Designänderung vor.
Unter Design Change versteht man somit nicht (nur) die Änderung des (grafischen) Designs eines Produkts. Vielmehr versteht man darunter jede Änderung des Entwurfs eines Produkts nach dessen jeweiliger Freigabe – unabhängig davon, ob diese meldepflichtig ist.
Beachten Sie, dass die MDR auch bei einer Änderung der Zweckbestimmung von Design Change spricht, selbst wenn das Produkt völlig unverändert bleibt.
b) Beispiele
Von einem Design Change bzw. einer Designänderung spricht man beispielsweise, wenn der Hersteller das Folgende ändert:
- Layout einer Platine
- Benutzer-Produkt-Schnittstelle (das User Interface)
- Funktionen, die das Produkt anbietet (weil dadurch etwas an der Auslegung geändert werden muss)
- Leistungsangaben, z. B. die Genauigkeit eines diagnostischen Geräts oder die Energieabgabe eines HF-Chirurgiegeräts
- Materialien, aus denen das Produkt gefertigt ist
Wenn ein Softwareentwickler beim Unit-Testen einen Bug korrigiert, spricht man nicht von einem Design Change. Wenn er oder sie hingegen feststellt, dass die bereits freigegebene Architektur einen Fehler enthält und diese ändert (implizit im Code oder/und explizit im Architekturdokument), dann liegt ein Design Change vor.
Die MDR zählt auch eine geänderte Zweckbestimmung als Design Change, z. B. neue Indikationen oder eine andere Anwendergruppe.
c) Betroffene Dokumente
Ein Design Change betrifft somit nicht nur System- und Softwarearchitekturen, sondern ebenso Änderungen an der Mechanik, an der Elektronik, an Materialien und selbst am Design Input inklusive der Zweckbestimmung!
Änderungen der Geometrie, Oberflächenstruktur, Farbe oder des Materials bedingen zwingend eine Neubewertung z. B. der Biokompatibilität (ISO 10993), Effizienzkontrolle der Aufbereitung (ISO 17664), Endreinigung (ISO 19227) und ggf. sogar der Sterilisation.
Je nach Intensität und Auswirkung des Changes müssen die Prozesse und Konformitäten im schlimmsten Fall komplett neu validiert bzw. belegt werden.
2. Regulatorische Anforderungen
a) Anforderungen der FDA an Design Changes
Die FDA hat festgestellt, dass man bei Problemlösungen oft neue Probleme einführt. Deshalb fordert sie, dass die Hersteller diese „Lösungen“ (Änderungen) sehr sorgfältig bewerten, bevor sie sie realisieren.
Konkret heißt es im Paragrafen 21 CFR § 820.30(i) „Design changes“:
Each manufacturer shall establish and maintain procedures for the identification, documentation, validation or where appropriate verification, review, and approval of design changes before their implementation.
In der Diskussion dieses Paragrafen weist die FDA auf Folgendes hin:
- Stellen Sie sicher, dass die Dokumente entsprechend überarbeitet und gelenkt (z. B. versioniert und freigegeben) werden.
- Stellen Sie durch Verifizierung und Validierung sicher, dass das Problem, das mit diesem Design Change gelöst werden soll, auch wirklich gelöst ist.
- Achten Sie darauf, dass die Änderungen genehmigt sind und dass bewertet wird, ob neue Probleme durch die Änderung verursacht wurden und ob die bisherigen Anforderungen weiterhin erfüllt werden.
- Kommunizieren Sie die Änderungen, damit andere Entwicklungsabteilungen, die Produktion, der Vertrieb und die Kunden darüber Bescheid wissen.
Lesen Sie mehr zum Thema im Guidance Document „Deciding When to Submit a 510(k) for a Change to an Existing Device“.
b) ISO 13485 zu Design- und Entwicklungsänderungen
Auch in Europa gibt es Anforderungen an den Umgang mit Designänderungen. So fordert die ISO 13485 in Kapitel 7.3, die Design- und Entwicklungsänderungen zu lenken.
Die Forderungen gleichen denen der FDA: Die Änderungen müssen
- genehmigt,
- bewertet,
- verifiziert und validiert sowie
- dokumentiert werden.
c) MDR
Die EU-Medizinprodukte-Verordnung MDR geht an mehreren Stellen auf Designänderungen ein, beispielsweise in:
- Artikel 10 (9): „Changes in device design […] shall be adequately taken into account in a timely manner.“
- Anhang VI, Teil C, 6.5.2 (Software): „A new UDI-DI shall be required whenever there is a modification that changes the original performance; the safety or the intended use of the software; interpretation of data. Such modifications include new or modified algorithms, database structures, operating platform, architecture or new user interfaces or new channels for interoperability.“
- Anhang IX, 4.10: „Changes to the approved device shall require approval from the notified body which issued the EU technical documentation assessment certificate where such changes could affect the safety and performance of the device or the conditions prescribed for use of the device.“
Auch im Kontext der Übergangsregelungen spielen die Designänderungen eine Rolle:
By way of derogation from Article 5 of this Regulation, a device with a certificate that was issued in accordance with Directive 90/385/EEC or Directive 93/42/EEC and which is valid by virtue of paragraph 2 of this Article may only be placed on the market or put into service provided that from the date of application of this Regulation it continues to comply with either of those Directives, and provided there are no significant changes in the design and intended purpose.
MDR, Artikel 120
Vielen Herstellern fällt die Abschätzung schwer, wann eine Designänderung (ein Design Change) signifikant und meldepflichtig ist. Auch deshalb hat die MDCG die Leitlinie 2020-03 veröffentlicht (s.u.).
d) Health Canada
Zwar schon etwas älter, aber dennoch hilfreich, aktuell und sehr umfangreich sind die Vorgaben von Health Canada. Die Behörde hat bereits 2011 das „GUIDANCE DOCUMENT for the Interpretation of Significant Change“ veröffentlicht.
Bemerkenswert sind die Flussdiagramme zu den IVDs und zu den Änderungen an der Produktion, den Einrichtungen und dem Labeling.
3. Signifikante Design Changes: Wann eine Änderung meldepflichtig ist
a) Guidance Document der NBOG
Die Notified Body Operations Group (NBOG) hat einen „Guidance for manufacturers and Notified Bodies on reporting of Design-Changes and Changes of the Quality System“ publiziert, der etwas mehr Klarheit schaffen soll.
Darin beschreiben die Autoren, wann eine Designänderung als wesentlich („substantial“) zu bewerten und damit meldepflichtig ist. Das wäre jede Änderung am Produkt, die die Konformität mit den grundlegenden Anforderungen oder den vom Hersteller festgelegten Anwendungsbereich bzw. Kontraindikationen beeinflussen könnte.
Konkret benennt das Dokument Änderungen
- der Zweckbestimmung, Indikation, Kontraindikation,
- von Leistungsmerkmalen,
- eines Zulieferers(!),
- aufgrund von Risiken, die noch nicht betrachtet wurden,
- von Warnungen,
- der vorgesehenen Nutzergruppen,
- der vorgesehenen Nutzung,
- von Charakteristiken, die durch die klinische Bewertung noch nicht berücksichtigt sind,
- als Folge von Überlegungen, die aus der Marktbeobachtung stammen inklusive aus Zwischenfällen, Rückrufen oder Beschwerden,
- getrieben durch State-of-the-Art-Entwicklung (z. B. neueste Technologien),
- die die Produktion beeinflussen, und
- die die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts betreffen.
b) MDCG 2020-03
Im März 2020 hat die MDCG die Leitlinie MDCG 2020-03 mit dem Titel „Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 120 of the MDR with regard to devices covered by certificates according to MDD or AIMDD“ veröffentlicht.
Diese Leitlinie erläutert, wann ein Design Change meldepflichtig ist und wann nicht.
Nicht meldepflichtige Änderungen
Die MDCG stellt zunächst fest, worunter sie keinen meldepflichtigen Design Change versteht:
- Administrative Änderungen
- Name und Adresse des Herstellers
- Rechtsform, z. B. von GmbH nach GmbH & Co. KG
- Bevollmächtigter
- Organisatorische Änderungen
- Neue Fertigungsstätten, Umzug von Fertigungsstätten
- Neue oder geänderte Lieferanten und Dienstleister
- Im gewissen Umfang auch Änderungen am QM-System
- Einschränkung der Zweckbestimmung
- Korrekturmaßnahmen
- Nicht-signifikante Änderungen am Produkt
Laut MDCG 2020-03 können sich Hersteller von den Benannten Stellen bestätigen lassen, dass eine Designänderung nicht signifikant ist. Das stellt aber kein ergänzendes Zertifikat dar.
Meldepflichtige Designänderungen
Die MDCG definiert folgende Änderungen als „signifikant“:
- Erweiterung und Änderungen der Zweckbestimmung, z. B. neue Indikationen, neue Patientenpopulation, andere klinische Anwendung
- UI-Änderungen, die weiterer Usability-Daten bedürfen
- Änderungen der Leistungsspezifikation, insbesondere wenn neue klinische Daten berücksichtigt werden müssen
- Designänderungen, die entweder Risiken erhöhen oder bestehende risikominimierende Maßnahmen betreffen, z. B. Alarme
- Austausch oder Änderungen von Materialien, es sei denn, sie stammen von bestehenden Lieferanten und finden innerhalb unveränderter Spezifikationen statt
- Änderungen am Sterilisationsprozess oder an der Verpackung, die einen Einfluss auf die Sterilität haben können
- Viele Softwareänderungen
Lesen Sie hier mehr zum Thema Design Changes bei Software und zu Beispielen für meldepflichtige Softwareänderungen.
Die MDCG beschreibt die Änderungen in Form von Flussdiagrammen. Die Infografik des Johner Instituts fasst diese Diagramme auf einer Seite zusammen und ergänzt sie um Beispiele.

Sie können diese Infografik kostenlos herunterladen:
Kritik
Das MDCG-Dokument ist hilfreich. Es scheint aber keiner abschließenden Qualitätskontrolle unterzogen worden zu sein. Man hat das CAMD-Dokument „Joint Industry Position on Significant Changes According to MDR Article 120(3)“ weitgehend unverändert übernommen. Dazu zählt auch teilweise kaum lesbarer Text.

Das Dokument lässt naturgemäß Fragen offen. Besonders zu den folgenden Fragen hätte man sich eine Antwort gewünscht:
- Wie sollen Hersteller bei Änderungen am Produktionsverfahren entscheiden? Mit Ausnahme der Sterilisation gibt die MCDG keine Hilfestellung.
- Welche Korrekturmaßnahmen (wohlgemerkt Korrekturmaßnahmen, nicht Korrekturen) will man durchwinken? Gilt das auch für eine meldepflichtige Korrekturmaßnahme, die mit einer nennenswerten Änderung am Design einhergeht? Die Reihenfolge des Flussdiagramms lässt genau das vermuten.
- Weshalb will man Korrekturmaßnahmen durchwinken, Korrekturen aber nicht? Bei der Software deklariert man Bugfixes nicht als „signifikant“.
- Umfasst „new user or patient population“ auch „changed user or patient population“? Vermutlich ja.
- Soll „existing risks negatively affected“ ausdrücken, dass die bestehenden Risiken höher sind?
- Muss wirklich jede Änderung an einer risikominimierenden Maßnahme als „significant design change“ gewertet werden? Selbst eine vorbeugende Maßnahme wie die wirksamere Auslegung einer solchen Maßnahme? Das könnte falsche Impulse setzen.
- Soll jede Änderung an einer „database structure“ als signifikant eingestuft werden? Jede neue Spalte in einer Datenbank?
- Welche Änderungen am User Interface (bei Software) sind nun signifikant? Selbst wenn man im Text die fehlenden Leerzeichen ersetzt, bleibt er unklar.
- Welche Änderungen zur Verbesserung der IT-Security wollen die Autoren? Wenn die Änderung ein „major change of a component“ wäre, dann wäre dies nicht erlaubt. Der Austausch einer Kryptografie-Bibliothek bzw. eines entsprechenden Verfahrens wäre sicher „major“. Die Entscheidung C6 kommt zu einem anderen Ergebnis.
c) Guidance der Benannten Stellen (NB-MED)
Konkrete Definitionen und Beispiele für meldepflichtige und nicht-meldepflichtige Design Changes enthält das Dokument NB-MED/2.5.2/Rec2.
d) Positionspapier des TEAM-NB
Im Dezember 2020 hat das Team-NB ein „Position paper for the interpretation of device related changes in relation to a Notified Body Opinion as required under Article 117 of Medical Device Regulation (EU)2017/745“ veröffentlicht.
Dieses Dokument hat als Anwendungsbereich aber „nur“ Komponenten eines „drug device combination products“. Damit bezieht es sich auch nicht auf diese Typen an Änderungen:
- Changes with respect to the Quality Management System
- Changes to co-packaged devices
- Organizational or administrative changes, e.g. manufacturing site, distributor, subcontractor, including their name, address and respective legal status
Im Positionspapier heißt es:
To facilitate a harmonized judgement of the substantial of changes, the following flowcharts (see Part II) have
Positionspapier des TEAM-NB auf Seite 4
been developed.
Diese Flowcharts ähneln jedoch sehr stark jenen im bereits vorgestellten Dokument MDCG 2020-3. Eine Referenz darauf findet sich im Team-NB-Dokument nicht. Das entspricht nicht guter wissenschaftlicher Praxis.
e) FAQ der CAMD
In seinen FAQ geht die CAMD (Competent Authorities for Medical Devices) auch auf die Fragestellung ein, wann eine Designänderung „signifikant“ ist. Wirklich Neues im Vergleich zum MDCG-Dokument enthält die Antwort auf Frage 17 aber nicht.
f) Scope des Zertifikats
Entscheidend ist zudem der Anwendungsbereich des Zertifikats: Falls Sie Ihr Produkt, das Sie über Anhang II der MDD bzw. über Anhang IX der MDR in den Verkehr bringen, so ändern, dass es nicht mehr in den Scope fällt, müssen Sie die Benannte Stelle einbeziehen.
Die Zertifikate erlauben Ihnen als Hersteller gerade, Produkte innerhalb des Zertifikats zu entwickeln und in den Verkehr zu bringen, ohne die Benannte Stelle um Erlaubnis zu fragen. Allerdings verlangen die Benannten Stellen häufig, informiert zu werden.
4. Sonderfall Software
Dieses Kapitel fasst die gesetzlichen Anforderungen und Leitlinien für Software zusammen.
Meldepflichtige Softwareänderungen
Eine Designänderung wäre bei Software wahrscheinlich dann meldepflichtig, wenn eine der folgenden Bedingungen vorliegt:
- Es gibt eine Änderung an der Zweckbestimmung, einschließlich
- vorgesehener Nutzungsumgebung,
- vorgesehener Nutzergruppen,
- neuer oder anderer Indikationen,
- weniger Kontraindikationen (also eine Erweiterung der Zweckbestimmung).
- Sie beseitigen einen Fehler in der Software oder der zugehörigen Gebrauchsanweisung, um Risiken zu minimieren (> Rückruf).
- Sie ändern die Benutzer-Produkt-Schnittstelle (unwesentliche Änderungen wie Korrektur von Rechtschreibfehlern ausgenommen). Das trifft insbesondere dann zu, wenn Sie
- Warnmeldungen hinzufügen, ändern oder entfernen,
- neue, sicherheitsbezogene Fallbeispiele einfügen,
- kritische UI-Elemente (ehemals Hauptbedienfunktionen) ändern.
- Sie verwenden eine neue Technologie, z. B. ein neues Framework, neue SOUPs (gemeint ist nicht eine neue Version) oder gar eine andere Programmiersprache.
- Die Software soll in einer anderen Laufzeitumgebung (Betriebssystem oder Version, Prozessor, Bildschirmgröße/-auflösung) eingesetzt werden.
- Die Software muss eine neue Datenschnittstelle bedienen.
- Die Entwickler fügen in der Datenbank neue Tabellen oder Fremdbeziehungen ein.
- Die Entwickler ändern einen zentralen Algorithmus, z. B. zur Berechnung von Medikamentendosen, zur Bestrahlungsplanung oder für die Bildbearbeitung. Das betrifft insbesondere den Austausch von konventionellen Algorithmen durch KI-Algorithmen bzw. den Austausch eines KI-Modells (z. B. neuronales Netzwerk durch ein Boosting-Verfahren).
Nicht-meldepflichtige Softwareänderungen
Üblicherweise zählt man die folgenden Änderungen an einer Software nicht als meldepflichtig:
- Bugfixes
- Security Patches
- Update einer SOUP durch eine neuere Version
- Kleine Refactorings, z. B. innerhalb einer Methode
- Änderungen an unkritischen Teilen des User Interfaces
- Hinzufügen eines Attributs zu einer Datenbank oder Änderung des Datentyps eines Attributs
- Anpassung der Software, um mit neuen Versionen einer bestehenden Schnittstellenspezifikation arbeiten zu können (z. B. Update von HL7 V2.7 auf 2.8)
- Kleine Designänderungen am User Interface
- Kleine Maßnahmen zur Verbesserung nicht-funktionaler Eigenschaften wie der Robustheit (z. B. zusätzliche Werteüberprüfung)
Allgemeine Tipps
Das Johner Institut empfiehlt, im Zweifelsfall mit der Benannten Stelle eine klare Absprache zu treffen. Die o.g. Liste sollte dabei eine Hilfe sein. In eingeschränktem Umfang steht Herstellern, Behörden und benannten Stellen für solche Einschätzungen das kostenlose Micro-Consulting zur Verfügung.
Die Unterscheidung der MDR und der IVDR zwischen Softwareänderungen, die eine Änderung der UDI-DI bedingen, und denen, die „nur“ eine Änderung der UDI-PI zur Folge haben, mag bei der Unterscheidung zwischen meldepflichtigen und nicht-meldepflichtigen Änderungen dienlich sein: Eine Änderung der UDI-PI ist üblicherweise nicht meldepflichtig.
Beachten Sie, dass viele Benannte Stellen in den Zertifizierungsverträgen die Hersteller verpflichten, alle Änderungen an den Produkten zu melden. Ob die Benannte Stelle dann auch prüft, ist eine andere Frage. Einen Vorbehalt von den Ergebnissen dieser Prüfungen sehen die Gesetze nicht vor, solange der Hersteller unter dem Anwendungsbereich seines Zertifikats handelt.
Die Hersteller sollten in diesem Zusammenhang den Anhang IX Absatz 2.4 der MDR beachten. Demnach müssen die Hersteller ihre Benannte Stelle über wesentliche Änderungen an Produkten und dem QMS unterrichten.
5. Fazit und Zusammenfassung
Die MDCG bietet mit ihrem Dokument 2020-03 eine gute Hilfestellung, um zwischen signifikanten und nicht signifikanten Designänderungen zu unterscheiden.
In einer zweiten Version des Dokuments sollten die Autoren
- die offensichtlichen Fehler entfernen (uns Herstellern würde man so etwas nicht durchgehen lassen),
- mit weiteren Beispielen und Erläuterungen zu den Entscheidungspunkten noch mehr Klarheit schaffen (wie z. B. in MDCG 2019-11),
- fehlende Referenzen ergänzen, z. B. auf das CAMD-Dokument,
- Hilfestellungen auch im Bereich der Produktionsänderungen, der IVD oder des Labelings ergänzen und
- überprüfen, ob die Auswirkungen, die sich u.a. durch die Reihenfolge der Fragen ergeben, wirklich so gewünscht waren.
Wie sehr sich die Hersteller und die Benannten Stellen an die Vorgaben der MDCG halten, wird sich zeigen. Manchmal scheint es angesichts der Überlastung beider Seiten einen stillschweigenden Konsens zu geben, dass manch ein Design Change nicht so signifikant ist.
Die Vielzahl der regulatorischen Vorgaben führt zu dem Wunsch einer weltweiten Harmonisierung.
Änderungshistorie
- 2022-06-23: Im letzten Hinweis auch die Produkte der Klasse I* ergänzt.
- 2022-01-02: Poster um Hinweis ergänzt, dass es sich „nur“ auf Produkte der Klasse IIa und höher bezieht, die unter einem MDD-Zertifikat in den Verkehr gebracht werden.
- 2021-07-19: In Poster letzte Entscheidung korrigiert (enthielt eine Verneinung zu viel)
- 2021-06-06: In Poster Entscheidung bei „Materialien von neuem Lieferanten innerhalb der Spezifikation“ korrigiert (Danke an O. Tan für Hinweis!)
- 2021-03-27: In Poster Hinweis auf „Competent Authority“ ergänzt
- 2021-01-20: Unterkapitel zu TEAM-NB Dokument zu „drug device combination products“ ergänzt
- 2020-01-26: Hinweis direkt über Kapitel 5 ergänzt
Guten Tag,
Vielen Dank für Ihren Artikel, allerdings stellt sich mir eine Frage: Welche Änderungen sind dann kein Design Change wenn auch z.b. die Farbe der Verpackung eine Designänderung wäre?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
MFG
Dr. Breß
Sehr geehrter Herr Dr. Breß,
wie groß eine Änderung sein darf, damit Sie nicht als Design Change gilt, hängt vom Risikomanagement und der Art der Änderung ab. Beispielsweise gibt Ihnen die MDR bei SW einen Hinweis: Die Änderungen, die nur einer neuen Product Identification bedürfen, aber keiner neuen Design Identification, könnte man als ausreichend klein charakterisieren.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
zu Ihrer Antwort vom Dienstag 17. Juli 2018 um 17:19 bräuchte ich eine Aufklärung: Was meinen Sie mit der „Design Identification“? In der MDR kommt dieser Begriff nicht vor. Nur „Device Identifyer“. Eine neue UDI-DI braucht man schon, wenn sich die Version der SW ändert. Und die ändert sich bereits bei kleinster Änderung.
Wo befindet sich dieser Hinweis für SW in der MDR?
Für eine Rückmeldung wäre ich sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Natalie Gudd
Sehr geehrte Frau Gudd,
da scheine ich mich vertippt zu haben. Ich meinte natürlich mit DI den Device Identifier.
Die Hinweise auf sie Software finden Sie im Anhang VI, Teil C 6.5.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
Vielen Dank für die ausführliche Zusammenfassung!
Leider ist Ihnen beim Erstellen des Design-Change Posters ein Fehler unterlaufen. Die Beschriftung der Pfeile abgehend von Software-Änderungen?->Kleine Änderung? ist genau andersrum. Kleine Änderungen sind, wie im Artikel richtig beschrieben, nicht signifikant.
Mit freundlichen Grüßen,
Helmut Steiner
Sie haben absolut Recht, lieber Herr Steiner!
Die neue Version lade ich gleich hoch.
Besten Dank!
Herzliche Grüße, Christian Johner
Guten Tag,
gilt die Änderung des Produktnamens nach 26.05.2021 als signifikant? Dadurch ergeben sich einige nötige Anpassungen, allerdings bleibt das unter MDD zertifizierte Produkt ansonsten identisch.
Vielen Dank,
L. Borchert
Sehr geehrte Frau Borchert,
die MDCG 2020-03 ist hier ein relevantes Dokument. Sie erfüllen keine der dort genannte Kriterien. Damit ist der Change als nicht signifikant einzuordnen.
Allerdings wäre dieser in der EUDAMED zu hinterlegen.
Ich würde mir die Änderung von Ihrer Benannten Stelle schriftlich bestätigen lassen, um späteren Ärger zu vermeiden, da auf dem Zertifikat ein anderer Produktname steht.
Viele Grüße, Christian Johner
Guten Morgen Herr Johner,
In Ihrer Infografik Design Change v6 ist dargestellt, das alle Designänderungen im Rahmen einer Korrekturmaßnahme als nicht siginifkant zu bewerten sind. Laut MDCG-2020-03 müssen diese Korrekturmaßnahmen aber von der zuständigen Competent Authority akzeptiert worden sein. Zu einer solchen Bewertung durch die Competent Authority kommt es meiner Meinung nach nur bei einer Korrekurmaßnahme im Feld auf Grundlage eines Vorkomnisses.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Grabner
Sehr geehrter Herr Grabner, danke für Ihren Hinweis!
Ihr Hinweis betraf die Anmerkung im MDCG-Dokument zu den „competent authorities“. Diesen habe ich im Poster ergänzt.
Nochmals vielen Dank!
Viele Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Johner,
herzlichen Dank für die gute Zusammenfassung!
Ich habe eine Frage bzgl. dem Bewertungsbaum in der MDCG 2020-03, speziell zu den Materialänderungen.
Die Frage D4 „Ingredient ormaterial from new suppliermeetsexisting specification“ (Originaltext !) verzweigt bei Beantwortung mit ja zurück in die Bewertung B bei Vorliegen eines „Design or performance change“.
Mir erschließt sich der Sinn dieser Rückverweisung nicht, denn falls ich einen Change hätte, auf den Chart B zutrifft, wäre ich doch beim Abarbeiten des Main Charts eh schon in diesen eingetreten? Welchen Sinn hat dann diese Doppelbewertung?
Oder habe ich da ein grundlegendes Verständnisproblem?
Herzlichen Dank & freundliche Grüße
Olaf Kessel-Deynet
Sehr geehrter Herr Kessel-Deynet,
eine ausgezeichnete Frage! Was genau in den Köpfen der Autoren vor sich ging, weiß ich auch nicht. Daher kann ich nur spekulieren.
Möglicherweise wollten die Autoren, dass man für den neuen Supplier nochmals überlegt, ob es Risiken gibt, die speziell für diesen Supplier untersucht oder/und beherrscht werden müssen. Beispielsweise hat der Supplier ein anderes Fertigungsverfahren oder ein anderes QS-System. Dann müsste man die Risikoüberlegung nochmals anstellen.
Ihr Gedanke, dass man sich diese Überlegungen auch beim ersten Durchlauf bereits hätte machen könnte, ist dennoch logisch.
Viele Grüße, Christian Johner
Guten Tag,
danke für die ausführliche Erklärung. Mir ist dabei eine Frage aufgekommen, wir möchten eine neue Primärverpackung für unsere Augentropfen implementieren, so neu ist die Primärverpackung auch nicht, da wir sie bereits bei anderen Produkten einsetzen. Wir würden dies als nicht signifikante Änderung einordnen, was halten Sie davon?
Es gibt keinerlei Änderungen in Performance oder Sicherheit geschweige den Risiko, wir haben sogar das selbe Produkt mit gleicher Primärverpackung, nur selbstverständlich anderer Zweckbestimmung. Bisher ist es beim NB nicht durchgekommen.
Danke und Viele Grüße
V. Frank
Sehr geehrte Frau Frank,
danke für Ihre Frage. Ich fürchte, dass sich diese mit den gegebenen Informationen allein nicht beantworten lässt. Beispielsweise weiß ich nicht, ob die Sterilität bei diesen Augentropfen eine Rolle spielt (was ich vermute).
Eine Änderung einer Verpackung kann durchaus eine signifikanten Änderung darstellen. Wenn diese eine Auswirkung auf die Sterilisation haben kann, dann sagt das die MDCG im Dokument 2020-3 auf Seite 14 sogar explizit. Aber auch andere Änderungen, die eine Auswirkung z.B. auf die Gebrauchstauglichkeit haben, sind u.U. signifikant.
Die Tatsache, dass eine Verpackung wo anders bereits verwendet wurde, ist für die Antwort nicht erheblich. Sie ist aber dienlich, dass die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen auch nach der Änderung erfüllt sind, unabhängig davon, ob diese signifikant sind.
Viele Grüße, Christian Johner
Hallo Herr Prof. Johner,
vielen Dank für die super ausführliche Zusammenfassung 🙂
Meine Frage an Sie ist, ob Sie in Bezug auf ein Softwareprodukt (App) einen Wechsel des Cloud-Providers (Backend) als einen signifkanten Desing Change einstufen, auch wenn die SW-Architektur und Infrastruktur-Architektur gleich bleibt und es keine Quellcode-Änderungen (außer dem Austausch der URL) gibt?
Vielen Dank vorab für Ihre Einschätzung und viele Grüße
T. Becker
Sehr geehrter Herr Becker,
danke für die spannende Frage!
Die Antwort hängt davon ab, was Sie in der Zweckbestimmung bzw. den Markt- und Software-Anforderungen formuliert haben. Wenn Sie dort sagen, dass es auf einem beliebigen Cloud-Dienst laufen kann, wäre es überhaupt kein Change. Denn der Cloud-Dienst ist idealerweis als Laufzeitumgebung definiert und nicht als Teil des Produkts.
Ein Austausch des „vorderen Teils“ der URL sehe ich ebenso nicht als wesentliche Änderung. Beim hinteren Teil (Routing) würde ich es anders sehen. Denn das ist defacto die externe Schnittstelle des Produkts.
Herzliche Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
ich habe eine spannende und wichtige Frage an Sie zum Thema signifikante Änderung beim MPe-Herstellerwechsel, bei dem die Meinung und das „Bauchgefühl“ vieler Verbände und anderer Sachkundiger gespalten ist – mit der mehrheitlichen Tendenz, es sei eine signifikante Änderung, was ich aber überhaupt nicht verstehe. Vor allem, weil außer dem „Bauchgefühl“ keine Belegstelle genannt wird, das MDCG Flowchart wird nicht als Referenz genannt. Aber wo kommt die Auffassung dann her?
Es geht konkret um den folgenden Fall:
Ein Lohnhersteller stellt ein Medizinprodukt (Klasse 1 MDD, derzeit legacy device) für einen juristischen Hersteller her, auf den dieses Medizinprodukt derzeit registriert ist.
Nun würde der juristische Hersteller aber seine Position als Inhaber gerne an den Lohnhersteller übertragen – weil ihm die „Luft“ ausgegangen ist.
Diese Änderung würde, bis auf die Änderung des Herstellers auf dem Packmittel (Industriehüttensymbol), eine Erstanzeige im DMIDS und eine „neue Konformitätserklärung“ des Lohnherstellers betreffen, aber das Medizinprodukt selbst in keiner Weise verändern.
In Abschnitt 3b) bzw. auch in der MDCG 2020-03 wird eine solche Änderung als administrative und nicht meldepflichtige Änderung bewertet. Jedoch ist die MDCG nicht rechtlich bindend.
• Woher aber kommt dann die oben beschriebene Auffassung, es sei dennoch eine signifikante Änderung?
• Kann ein Hersteller eine solche Änderung selbst als nicht signifikant festlegen und den Sachverhalt vertraglich festhalten?
• Kennen Sie ggf. ähnliche Präzedenzfälle?
• Könnte ein solcher administrativer Hersteller-Wechsel die Übergangsfrist des Medizinprodukts mit Verkaufsmöglichkeit bis 27.05.2025 gefährden?
• Stammt das „Bauchgefühl“ bzw. die Auffassung der Verbände aus anderen Übertragungsfällen, bei denen es sich nicht um Klasse 1 Medizinprodukte gehandelt hat und es wäre daraus als mitgeltende Info eine Feststellung darüber zu erhalten, dass es sich um eine signifikante Änderung handelt, sofern der Fall tatsächlich dann auch auf Klasse 1 MPe übertragbar ist.
Vielen herzlichen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
I. Milke
Lieber Herr (oder Frau) Milke,
der Hintergrund des Themas ist folgender: Die Benannten Stellen müssen fortlaufend Produkte und Hersteller überwachen. Sie tun dies in der Regel einmal jährlich über Audits. Wenn der Hersteller zwischen den Audits etwas an seinem System oder seinen Produkten ändert, musste er schon unter der MDD die Benannten Stelle über eine solche „signifikante Änderung“ unterrichten, damit diese entscheiden konnte, ob sie zwischenzeitlich nochmals eine Überprüfung macht oder die Änderung erst im nächsten Routine-Audit überprüft. Nun hat die Einführung der MDR die Benannten Stellen gezwungen, ihre eigenen Betriebsprozesse komplett auf MDR umzustellen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber über die MDR festgelegt, dass in dieser Übergangszeit beim Hersteller keine Änderungen mehr durchgeführt werden dürfen, die ein erneutes Überprüfen durch eine Benannte Stelle erforderlich macht.
Wenn Sie diese Überlegungen als Basis nehmen, fällt es Ihnen vielleicht leichter, den Sachverhalt zu bewerten. Stellen Sie sich vor, die Produktverantwortung geht tatsächlich an eine andere legale oder juristische Person über. Funktioniert dann das Meldewesen noch (Vigilanz)? Wird vom neuen Verantwortlichen die Marktüberwachung weiterhin korrekt durchgeführt? Kann er entsprechende Prozesse vorweisen und sind die konform? Gibt es damit verbundene Änderungen in den Prozessen Beschaffung, Service, Lagerung und Transport?
Genau das müsste in diesem Fall durch eine Benannte Stelle geprüft und bewertet werden, was man aber aus den genannten Gründen über den Artikel 120 verhindern will. Wobei eine signifikante Änderung ja nicht verboten ist, sie würde dann nur unweigerlich zu einer Neu-Bewertung des Produktes unter der MDR führen.
Eine alleinige Änderung des Namens eines Herstellers ist übrigens berechtigterweise eine „administrative“ Änderung. Die Änderung des Namens, weil der verantwortliche Hersteller wechselt, ist jedoch nicht mehr als „administrativ“ zu bezeichnen.
Noch eine Anmerkung: Ich nehme an, Sie sprechen in Ihrem Beispiel von Klasse I*-Produkten (steril oder mit Messfunktion), denn die anderen Produkte der Klasse I (ohne Benannte Stelle) fallen gar nicht erst unter die Übergangsbestimmungen des Artikel 120. Sie mussten sofort seit Mai 2021 konform mit der MDR sein und die Überlegung zu „signifikanten Änderungen“ gelten demnach für diese Produkte gar nicht.
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
im Guidance Dokument MDCG 2022-6 steht, dass die Änderung der Sterilisationsmethode eine signifikante Änderung ist. Wie würden Sie in diesem Fall „Sterilsationsmethode“ definieren? Ist es eine signifikante Änderung wenn man von gamma auf x-Ray Sterilisation ändert? In diesem Fall würde für mich die Sterilisationsmethode gleich bleiben, da es sich in beiden Fällen um Sterilisation durch Bestrahlung handelt. Der Sterilisationsdienstleister ist ebenfalls in beiden Fällen der gleiche.
Eine signifikante Änderung wäre für mich der Wechsel von Gamma auf ETO Sterilisation.
Ich bin gespannt auf Ihre Einschätzung!
Besten Dank im Voraus!
Schöne Grüße,
Martina
Liebe Martina,
der Zweck der MDCG 2022-6 ist es, zu entscheiden, wann man mit der Benannten Stelle über eine „Verletzung“ des Zertifikates und damit über die Neuzertifizierung des Produktes unter der IVDR sprechen muss. Ich würde argumentieren, dass die Umstellung eines Sterilisationsverfahrens (Gamma auf X-Ray) die Frage aufwirft, ob das Produkt mit den neuen Bestrahlungsparametern und Bedingungen noch immer genauso sicher ist. Immerhin wird vermutlich eine komplett andere Infrastruktur im Bestrahlungsprozess eingebunden und eine neue Prozessvalidierung dafür aufgesetzt. Um die Bestätigung der Konformität des Produktes durch die Benannte Stelle kommen Sie in diesem Fall also nicht herum und damit bewegen Sie sich bereits im Bereich der Konformitätsbewertung unter der IVDR.
Zwei Tipps an dieser Stelle:
a) Sprechen Sie das mit Ihrer Benannten Stelle ab
b) Planen Sie auch ohne diese Überlegung so früh wie möglich Ihren Umstieg auf die IVDR, denn bald sind die Kapazitäten der Benannten Stellen mehr als ausgeschöpft!
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
wieso wurde ihr FlowChart (Poster-Design-Change-V13) dahingehend angepasst, dass er sich jetzt nur noch auf Produkte der Klasse IIa und höher bezieht? Produkte der Klasse I*, für welche ein MDD-Zertifikat durch die benannte Stelle ausgestellt wurde sind doch ebenfalls vom Artikel 120 der MDR betroffen und müssen entsprechend bewertet bzw. Änderungen gemeldet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan
Sehr geehrter Stefan, danke für Ihren Hinweis!
Sie haben Recht. Es geht um alle Produkte, die eine Benannte Stelle benötigen nach MDR. Und da zählen die Klasse I* Produkte dazu.
Ich verbessere das. Nochmals vielen Dank!
Viele Grüße
Guten Tag,
wir haben eine Frage zu dem Kapitel 5.2 Quality system changes des „Guidance for manufacturers and Notified Bodies on reporting of Design Changes and Changes of the Quality System“.
Kann man hier sagen, dass Änderungen am Qualitätsmanagementsystem immer mit einer Design Änderung zusammenhängen?
Viele Grüße
Burgert
Liebe/r Frau/Herr Burgert,
bei Änderungen am Qualitätsmanagementsystem möchte die Benannte Stelle informiert werden, um entscheiden zu können, ob die Bescheinigung aufrechterhalten bleiben kann, bzw. ob sie sich mit einem erneuten Audit von der Konformität überzeugen muss. Da das QM-System aber fortlaufend angepasst und verbessert werden muss (Anforderung der MDR bzw. der ISO 13485), wären fortlaufend Benachrichtigungen an die Benannte Stelle notwendig.
Generell gilt deshalb die Aussage in diesem Guidance-Dokument auf der ersten Seite unten:
Wenn Sie beispielsweise im QM-System Ihren Entwicklungsprozess verändern, dann kann es sein, dass Sie auch den Prozess zur Produktänderung mit anfassen und dann könnte das später einen wesentlichen Einfluss auf das bereits freigegebene Produkt-Design haben. Dann wäre diese QMS-Änderung also benachrichtigungspflichtig gegenüber der Benannten Stelle. Am Design des Produktes selbst haben Sie zu diesem Zeitpunkt nichts verändert. Also hängen Änderungen am QMS nicht notwendigerweise mit Produktänderungen zusammen und sind völlig getrennt zu betrachten.
Beantwortet das Ihre Frage?
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig
Guten Tag,
in meiner Firma kommt es häufig zu Diskussionen bezüglich Design Change und Obsoleszenz von Materialien und Bauteilen.
Wie auch Ihnen bekannt ist, muss auf Grund der aktuellen Lage immer öfters alternativen für Bauteile und Materien gefunden werden. Wir dokumentieren dies über unser Änderungsmanagement und kommen immer wieder zu Diskussionen, ob es eine Designänderung ist oder nicht. Ein Beispiel wäre der Austausch eines elektrischen Bauteils auf einer Leiterplatte mit gleichen Spezifikationen (sprich die Leiterplatte muss nicht angepasst werden). Kann mit der Argumentation, dass die Spezifikationen und / oder die Funktionalität gleichbleiben gesagt werden, dass es sich um Obsoleszenzhandling handelt?
Und die wichtigere Frage: Wo besteht die Grenze zwischen normaler Änderung und Design Change? Und kann man Design Changes als geringer signifikant ein ordnen um den Auffand geringer zuhalten?
Viele Grüße
P. Schmitt
Liebe Frau Schmitt,
zunächst muss jede Änderung sorgfältig über einen Änderungsprozess laufen, um überhaupt in der Lage zu sein, Entscheidungen über die nötigen Aktivitäten (inklusive Meldepflichten) treffen zu können. Das betrifft das Design des Produktes, die Fertigung oder Bereiche wie die Beschaffung oder den Service. Damit hätten wir die grundsätzliche Dokumentationspflicht für Änderungen geklärt, die unabhängig vom Grund einer Änderung ist.
Als Nächstes können wir zur Meldepflicht einer Änderung festhalten, dass die unter Umständen vielfältige Aspekte hat. Bei einem Klasse III Implantat verlangt die Benannte Stelle von Ihnen vielleicht, dass JEDE Änderung dorthin gemeldet wird, also im Prinzip auch der spezifikationsgerechte Tausch eines Elektronikbausteins. Ich habe in der Praxis schon erlebt, dass Elektronikkomponenten angeblich spezifikationsgerecht getauscht wurden und später hat sich herausgestellt, dass zwar die technischen Betriebsparameter gleich waren, aber die Lebensdauer beim neuen Baustein viel geringer war. Oder die zur Verfügung gestellten neuen Elektronikkomponenten waren aus Schrott ausgelötet, weil es eben im Moment eine absolute Knappheit gibt, und damit war die Komponente unerkannt vorgeschädigt. Nachvollziehbar, dass die Benannten Stellen den Herstellern bei kritischen Produkten genau auf die Finger schauen möchten.
Es kann auch sein, dass der Lieferant als „kritisch“ eingestuft ist und die Benannte Stelle hat eine Liste Ihrer kritischen Lieferanten und braucht Information, wenn Sie einen Lieferanten wechseln. Auch das kann bei einer einfachen Obsoleszenz eine Rolle spielen.
Und dann bleibt noch die Frage nach einer „wesentlichen“ Änderung im Sinne des Artikels 120 der MDR, wo es um die Frage geht, welche Änderungen am Produkt zu einem MDD-Zertifikats-Verlust führen. Da würde man einen spezifikationsgerechten Austausch einer Komponente nicht als „wesentliche“ Änderung ansehen. Das beruht auf den Entscheidungsdiagrammen im MDCG 2020-3. Frage „B“ im Main Chart und Frage D3 im Chart D sind da relevant.
Zusammengefasst:
Alle Änderungen müssen Sie immer in Ihrem Change-Prozess dokumentieren! Meldepflicht an die Benannte Stelle besteht gemäß deren vertraglichen Vorgaben. Das MDD-Zertifikat würde seine Gültigkeit nicht durch einen spezifikationsgerechten Ersatz einer nicht mehr verfügbaren Komponente verlieren.
Hilft Ihnen diese Erklärung?
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig
Guten Tag,
ich habe ebenfalls eine Frage bzw. ein konkretes Beispiel zu einer „Materialänderung“ und einer daraus eventuell resultierenden Meldepflicht. Konkret geht es um ein Klasse IIb Mittelohrimplantat, welches bisher aus Titan Grade 2 gefertigt wird. Aufgrund aktueller Lieferprobleme, soll das Produkt zukünftig aus Titan Grade 4 hergestellt werden. Die unterschiedlichen Titan Grade unterscheiden sich in ihrer prozentualen chemischen Zusammensetzung (innerhalb der ASTM F67 fest definiert).
Eine Argumentation lautet, dass es keine Änderung des Materials gibt (da beides mal Titan innerhalb der gleichen Norm spezifiziert), eine andere Argumentation wäre, dass es durchaus ein anderes Material ist (ähnlich verschiedenen Edelstahlsorte, z.B. 1.4301, 1.4021 etc.) Sterilisation, Herstellung, Verpackung, klin. Performance, Spezifikationen etc. bleiben unangetastet. Lediglich eine Änderung des Zulieferers für das Titan könnte sich (je nach weltweiter Verfügbarkeit) ändern.
Die Frage, die sich uns nun stellt ist, ob dies eine meldepflichtige Änderung darstellt oder nicht.
Ich bedanke mich für Ihre Hilfe und freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
TaiTzu
Lieber TaiTzu,
ohne die fachliche Expertise und genauen Sachverhalte können wir Ihnen auf diesem Weg kaum eine valide Aussage geben. Aber den Weg kann ich Ihnen gerne aufzeigen:
Dokumentieren Sie schriftlich eine Argumentation, warum diese Änderung nach Ihrer Einschätzung basierend auf MDCG 2020-3 keine signifikante Änderung ist. Da Sie aber gemäß jeweiligem Vertrag mit Ihrer Benannten Stelle Änderungen am Produkt an diese kommunizieren müssen, reichen Sie die Änderung zusammen mit Ihrer Argumentation ein und lassen sich bestätigen, dass die Benannte Stelle Ihrer Argumentation folgt. Immerhin steht im MDCG 2020-3 „In case of doubt whether a change is significant they should ask their notified body.“
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig
Guten Tag,
Vielen Dank für den informativen Artikel. Ich habe eine konkrete Frage zur Bereitstellung der Gebrauchsanweisung. Ist ein Wechsle von einer gedruckten GBA zu einem elektronischen System eine signifikante Änderung im Sinner des Artikel 120 oder einfach nur eine Umsetzung von regulatorischen Möglichkeiten?
Falls die Umstellung auf ein elektronisches System als signifikante Änderung bewertet werden würde, wäre diese Umstellung für Legacy Devices nicht möglich und das obwohl die MDD dies mit der Verordnung 207/2021 erlaubt.
Mit freundlichen Grüßen
Clara Steinsiek
Liebe Frau Steinsiek,
pauschal lässt sich das nicht beantworten. Wenden Sie am besten das Entscheidungsdiagramm des MDCG 2020-3 systematisch an. In Teil B stoßen Sie zum Beispiel auf Fragen wie „Does the change require further clinical or usability data to support safety and performance?“. Die Gebrauchsanweisung stellt einen wesentlichen Teil der Gebrauchstauglichkeitsbetrachtung dar und wird deshalb häufig zum Gegenstand von Usability-Prüfungen. Insofern könnte – sofern Sie es in Ihrem Fall nicht anders belegen – die Antwort auf diese Frage „ja“ lauten und damit eine signifikante Änderung vorliegen.
Auch die Frage „Do new risks require control measures or are existing risks negatively affected? könnte mit „ja“ beantwortet werden. Sie müssen ohnehin bei der Umstellung auf eine elektronische Gebrauchsanweisung eine umfassende Risikoanalyse erstellen (Forderung der (EU) 2021/2226 in Absatz (4)) und können mit dieser Analyse den Beleg für Ihre Antwort auf die Frage des Guidance-Dokumentes erbringen.
Die Entscheidung, ob eine signifikante Änderung vorliegt, treffen Sie also auf Basis der dokumentierten Analyse des Entscheidungsdiagramms. Und diese Analyse können Sie dann auch der Benannten Stelle vorlegen, wenn Sie die Änderung durchführen möchten, denn gemäß Ihres Vertrages mit der Benannten Stelle müssen Sie vermutlich so eine Änderung in jedem Fall der Benannten Stelle mitteilen.
Hilft Ihnen das weiter?
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig
Guten Tag,
ich habe einen konkrete Frage zum Wechsel des OEMs von IVD legacy devices. Wir wollen bei einem IVD Kit zu einem anderen, bereits bestehenden OEM wechseln. Die Funktion sowie das Funktionsprinzip bleiben gleich. Die critical ingredients bleiben auch die gleichen, aber von einem anderen Rohstofflieferanten. Der Wechsel des OEMs hat keinen negativen Einfluss auf die Performance bzw. die Sicherheit oder das Risiko des IVDs. Die Zweckbestimmung bleibt ebenso unverändert. Die MDCG 2022-6 erlaubt einen Wechsel eines Lieferanten von Komponenten, sofern die Spezifikation unverändert bleibt. Können wir dann auch den OEM eines ganzen IVD-Kits wechseln, sofern die Produktspezifikation ident ist oder ist das dann als signifikante Änderung einzustufen?
Vielen Dank und viele Grüße,
J. Gross
Liebe Frau Groß,
wenn ich Ihrer Darstellung folge, dann ändert sich außer der Qualitätssicherungsvereinbarung (neuer Lieferant) an Ihrer bestehenden Technischen Dokumentation bezüglich der Produktauslegung nichts. In diesem Fall würde tatsächlich als nicht-signifikante Änderung die IVDD-Konformität aufrechterhalten bleiben.
Falls das Produkt schon über eine Benannte Stelle konformitätsgeprüft wurde: In der Regel ist die Änderung nach den spezifischen vertraglichen Vorgaben der Benannten Stelle dort anzeigepflichtig. Bei der Gelegenheit können Sie sich also bestätigen lassen, dass das Zertifikat tatsächlich erhalten bleibt.
Sorgen Sie in jedem Fall im Rahmen Ihrer Change-Dokumentation für ausreichend Nachweise, dass das Produkt weiterhin sicher und leistungsfähig ist.
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig
Thema MDCG 2020-03:
Wie lange hat man Zeit eine „non-significant“ Änderung zu implementieren, wenn diese Änderung von der Benannten Stelle genehmigt wurde, z.B. Namensänderung?
Haben Sie eine Idee zu den Fristen für die Implementierung?
Vielen Dank
Gruß
Sarah
Liebe Frau Hamed,
bei einer Konformitätsbewertung nach Anhang IX der MDR prüft die Benannte Stelle Ihr Qualitätsmanagementsystem. Man geht davon aus, dass alles, was Sie innerhalb dieses QMS durchführen, ordnungsgemäß umgesetzt wird. Deshalb sind Sie erstmal für alle Änderungen am Produkt selbst verantwortlich und selbst entscheidungsbefugt. Die Forderung, solche Änderungen an die Benannte Stelle zu melden, soll diesen die Möglichkeit geben, die Änderungen bei Bedarf von außen zu überwachen und über die Fortführung des bestehenden Zertifikats zu entscheiden. Die inhaltliche Umsetzung bleibt aber dennoch in Ihrer Hand und Verantwortung.
Das heißt also, wenn die Benannte Stelle Ihnen bereits signalisiert hat, dass Sie die Änderung durchführen können, dann ist es jetzt Ihre Entscheidung, wie schnell sie das tun. Natürlich würden Sie diese Änderungen bei sachlogischen Zwängen (z.B. Sicherheit gefährdet) oder bei geänderten regulatorischen Anforderungen (z.B. neue Grenzwerte oder Prozessanforderungen) zeitnah und dem Risiko angemessen umsetzen.
Eine Namensänderung Ihres Unternehmens sollte sich auch auf dem Label des Produktes oder in den Begleitpapieren zeitnah widerspiegeln. Genaue Fristen sind dafür aber nicht definiert.
Herzliche Grüße
Christian Rosenzweig