Im Eilverfahren hat die EU die Übergangsfristen der Verordnung 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) verlängert, wie wir einer aktuellen Pressemitteilung entnehmen können. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben den Vorschlag der Europäischen Kommission vom 14. Oktober 2021 ohne Anpassungen übernommen. Das ändert jedoch nichts am Geltungsbeginn der Verordnung. Dieser bleibt der 26. Mai 2022. Allerdings verschaffen die neuen Fristen den Herstellern und Benannten Stellen etwas mehr Luft, um IVD-Produkte durch das Konformitätsbewertungsverfahren zu bringen.
Dadurch könnten die neuen Regelungen u. a. verhindern, dass IVD ab Mai 2022 massenweise vom Markt verschwinden.
Erfahren Sie in diesem Artikel welche neuen Fristen nun gelten, was diese für Sie bedeuten und was Sie jetzt tun sollten.
1. Übersicht über die neuen Übergangsfristen
a) Was ist neu durch die Änderungsverordnung der IVDR?
Die Änderungen gewähren insbesondere Herstellern mehr Zeit, deren Produkte unter der IVDR eine Benannte Stelle benötigen. Solche Produkte dürfen auch noch nach dem 26. Mai 2022 hergestellt und in Verkehr gebracht werden. Aber Achtung! Einige Anforderungen der IVDR müssen trotzdem erfüllt werden. Mehr dazu erfahren Sie weiter unten.
b) Welche Produkte betreffen die Änderungen?
Zunächst ist wichtig, dass die neuen Regelungen nur für Bestandsprodukte gelten. Das sind Produkte, für die vor dem 26. Mai 2022 die Konformität erklärt wurde (bzw. bis dahin noch wird) UND die unter der IVDR in die Klassen D, C, B oder A (steril) fallen. Das bedeutet, dass alle Produkte von einer verlängerten Übergangsfrist profitieren, außer
- Klasse A-Produkte ohne Steril-Kennzeichnung und
- neue Produkte, für die erst nach dem 26. Mai 2022 eine Konformitätserklärung ausgestellt wird.
c) Wie lang sind die neuen Fristen?
Wie lang die neuen Fristen sind, hängt von der künftigen Risikoklasse ab und ob eine Benannte Stelle bereits unter IVDD beteiligt war.
- Für Produkte der Klasse A gibt es keine verlängerte Frist mit Ausnahme von Sterilprodukten.
- Diese sterilen Klasse-A-Produkte erhalten zusammen mit Klasse-B-Produkten die längste Übergangsfrist für das Inverkehrbringen: bis 26. Mai 2027.
- Für Klasse-C-Produkte endet die Frist am 26. Mai 2026 und
- für Klasse-D-Produkte endet die Frist am 26. Mai 2025.
- Die sogenannte “Abverkaufsregelung” (Bereitstellung und Inbetriebnahme) gilt für ein weiteres Jahr nach Ende der vorgenannten Fristen.
Die folgende Abbildung fasst die Regelungen zusammen. Erfahren Sie im folgenden Abschnitt, wie das für die einzelnen Fälle im Detail aussieht.
Die Übergangsfristen der IVDR in der Übersichtsgrafik
2. Die neuen Fristen im Detail
a) IVD, für die unter IVDD eine Bescheinigung durch eine Benannte Stelle ausgestellt wurde und auch unter IVDR eine Benannte Stelle benötigen
Für In-vitro-Diagnostika, für die unter IVDD eine Bescheinigung durch eine Benannte Stelle ausgestellt wurde, ändert sich gemäß Artikel 110 Absatz (2) die Frist wie folgt:
- Bescheinigungen, die von Benannten Stellen vor dem 25. Mai 2017 gemäß IVDD ausgestellt wurden, bleiben bis zu dem in der Bescheinigung angegebenen Zeitpunkt gültig. Für diese Produkte gibt es also keine Änderung.
- Bescheinigungen gemäß Anhang VI der IVDD verlieren spätestens am 27. Mai 2025 ihre Gültigkeit.
(vorher: 2024 – Verlängerung um 1 Jahr) - Bescheinigungen, die von Benannten Stellen nach dem 25. Mai 2017 gemäß IVDD ausgestellt werden, verlieren spätestens am 27. Mai 2025 ihre Gültigkeit.
(vorher: 2024 – Verlängerung um 1 Jahr)
Was bedeutet das konkret?
Beispiel: Nehmen wir an, Sie haben für ein IVD der Liste B mit einer Bescheinigung einer Benannten Stelle gemäß Anhang IV der IVDD (vollständiges Qualitätssicherungssystem) die Konformität erklärt. Das Zertifikat trägt ein Ausstellungsdatum vor dem 25. Mai 2017. Dann sollte das Gültigkeitsdatum auf der Bescheinigung bis maximal 25. Mai 2022 ausgewiesen sein, denn das ist die Vorgabe der IVDD (Artikel 9 Abs. 10). Wer also für seine Bestandsprodukte keine aktuelle Bescheinigung unter IVDD von der Benannten Stelle bis spätestens 25. Mai 2022 erhält, muss unter IVDR die Konformität erklären. Dafür müssen Hersteller eine für die IVDR akkreditierte Benannte Stelle involvieren. Mit einem Zertifikat, das nun zwischen dem 25. Mai 2017 und dem 25. Mai 2022 ausgestellt wurde, muss die Zertifikatsgültigkeit spätestens am 26. Mai 2025 enden (letztes mögliches Datum), da es ansonsten per IVDR-Verordnung Art. 110 ungültig wird.
Die Voraussetzung für diesen Fall ist, dass eine Benannte Stelle bereits unter der IVD-Richtlinie 98/79/EG am Konformitätsbewertungsverfahren beteiligt ist bzw. war. Ansonsten kann keine Bescheinigung einer Benannten Stelle existieren.
Achtung!
Achtung: Falls Sie Ihr QM-System freiwillig nach ISO 13485 zertifizieren lassen haben, ist das keine Bescheinigung einer Benannten Stelle, sondern von einer Zertifizierstelle. Nur ein Zertifikat einer akkreditierten Benannten Stelle mit Bezug auf die IVD-Richtlinie 98/79/EG würde hier gelten.
Produkte die eine solche Bescheinigung erhalten sind Produkte die dem Anhang II, Liste A und Liste B entsprechen oder Selbsttests, unabhängig vom gewählten Konformitätsbewertungsverfahren unter der IVDD. Es ist also egal, ob das betreffende Produkt über ein vollständiges Qualitätssicherungssystem, über die Baumusterprüfung oder die Auslegungsprüfung bei Selbsttests eine Bescheinigung unter IVDD erhalten hat.
b) “Sonstige IVD”, die unter IVDD bereits in Verkehr gebracht wurden und unter IVDR eine Benannte Stelle benötigen
- Für In-vitro-Diagnostika, für die Hersteller unter IVDD ohne Einbeziehung einer Benannten Stelle die Konformitätserklärung selbst vor dem 26. Mai 2022 ausgestellt haben und die unter IVDR gemäß IVDR-Klassifizierungsregeln ein Konformitätsbewertungsverfahren mit einer Benannte Stelle durchlaufen müssen, gelten folgende neue Übergangsfristen:
- 26. Mai 2025 für IVD der Klasse D
- 26. Mai 2026 für IVD der Klasse C
- 26. Mai 2027 für IVD der Klasse B
- 26. Mai 2027 für IVD der Klasse A, die steril in Verkehr gebracht werden.
- Je nach Risikoklasse des IVD dürfen diese Bestandsprodukte somit auch nach dem Gültigkeitsdatum der IVDR am 26. Mai 2022 weiterhin in Verkehr gebracht werden, vorausgesetzt, die Produkte halten die Anforderungen der IVDD ein und es erfolgt keine signifikante Änderung am Design und an der Zweckbestimmung.
- Hersteller sollten jedoch beachten, dass auch für Produkte, für die die vorgeschlagenen Übergangsfristen anwendbar wären, die Anforderungen der IVDR an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS), die Marktüberwachung, die Vigilanz und die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten einzuhalten sind.
Was bedeutet das konkret?
Angenommen, für das Produkt wurde bzw. wird unter der IVDD noch vor dem 26. Mai 2022 eine Konformitätserklärung gemäß Anhang III ohne Benannte Stelle ausgestellt. Dann stellt sich die Frage, unter welche Klasse das Produkt in Zukunft unter der IVDR fallen wird.
I) Fällt das Produkt künftig in Klasse D, dann dürfen Sie noch bis 26. Mai 2025 diese Produkte herstellen und in Verkehr bringen, aber nicht mehr wesentlich ändern. Danach dürfen Sie bzw. der Distributor das Produkt noch für ein weiteres Jahr bis zum 26. Mai 2026 bereitstellen und inbetriebnehmen, was umgangssprachlich gerne als “Abverkaufsregel” bezeichnet wird.
Hinweis
Da die Begriffe “in Verkehr bringen”, „Bereitstellung“ und „Inbetriebnahme“ immer wieder Verständnisprobleme verursachen, empfehlen wir Ihnen diesen Artikel:
Inverkehrbringung
II) Fällt das Produkt künftig unter Klasse C, ist die Herstellung und Inverkehrbringung bis 26. Mai 2026 erlaubt. Wesentliche Änderungen sind nicht gestattet.
III) Fällt das Produkt künftig unter Klasse B oder A (steril), sind Herstellung und Inverkehrbringung bis 26. Mai 2027 erlaubt, was somit die längste Übergangsfrist darstellt. Wesentliche Änderungen am Produkt sind auch hier nicht gestattet.
Weiterführende Informationen
Wie bei der MDR erwarten wir, dass der Begriff „wesentliche Änderungen“ erneut Anlass zu Diskussionen bietet. So zum Beispiel die Frage, wie groß Änderungen sein dürfen, damit sie nicht als „wesentlich“ betrachtet werden müssen. Beachten Sie hierzu die Artikel zu „Design Changes“ und „Software Changes“.
c) Keine Verlängerung für “normale” (nicht-sterile) Klasse-A-Produkte und „neue“ IVD
Die von der Kommission vorgeschlagenen Verlängerungen sollen für zwei Produktgruppen allerdings NICHT gelten:
- Normale” (nicht-sterile) Klasse-A-Produkte
- „Neue“ IVD
Fällt das Produkt künftig unter Klasse A und ist es kein Sterilprodukt, müssen Hersteller in jedem Fall ab 26. Mai 2022 einen Konformitätsnachweis gemäß IVDR erbringen und alle anwendbaren Anforderungen der IVDR erfüllen. Sie können damit keine verlängerte Übergangsfrist nutzen. Da keine Benannte Stelle erforderlich ist, liegt es also einzig an den Ressourcen und der Zeitplanung des Herstellers, dieses Ziel zu erreichen.
Ebenso wenig gelten die Verlängerten Fristen für „neue“ In-vitro-Diagnostika. Als solche sieht die Kommission IVD an, deren Konformität nicht unter der IVDD erklärt wurde.
Auch für diese Produkte müssen Hersteller in jedem Fall ab dem 26. Mai 2022 einen Konformitätsnachweis gemäß IVDR erbringen.
d) Laboratory Developed Tests (LDT)
Für Produkte, die von medizinischen Einrichtungen selbst produziert und verwendet werden, gibt es nun ebenfalls etwas mehr Spielraum. Damit sollen vor allem die durch die Corona-Pandemie stark gebeutelten Gesundheitseinrichtungen wie Laboratorien entlastet werden.
Doch Vorsicht, folgende Anforderungen bleiben unberührt:
(3) Ein Nachweis der Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen umfasst auch eine Leistungsbewertung gemäß Artikel 56.
(4) Produkte, die in Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden, gelten als in Betrieb genommen.
(5) Mit Ausnahme der einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I gelten die Anforderungen dieser Verordnung nicht für Produkte, die ausschließlich innerhalb von in der Union ansässigen Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden, sofern alle folgenden Bedingungen erfüllt sind
Unverändert bleiben auch Artikel 5 (5) Satz 1, Satz 2 Buchstabe a) und die Sätze 3 bis 5.
Damit müssen ab 26. Mai 2022 in der EU alle Lab Developed Tests (LDT) die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I IVDR inkl. der Leistungsbewertung erfüllen und dürfen nicht an eine andere rechtlich eigenständige Einrichtung abgegeben werden – gesetzliche Vorgaben, die in Deutschland bereits im Medizinproduktegesetz (MPG) verankert sind.
Artikel 5 (5) der IVDR sieht für LDT speziell zu den Unterpunkten des Satzes 5 längere zeitliche Fristen vor. Für die Implementierung der Unterpunkte b) und c) sowie e) bis i) gilt nun eine Frist bis zum 26. Mai 2024. Für Buchstabe d) gilt eine Frist bis 26. Mai 2028.
Die längste Frist erhält Buchstabe d). Dieser besagt:
“die Gesundheitseinrichtung liefert in ihrer Dokumentation eine Begründung dafür, dass die spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe nicht bzw. nicht auf dem angezeigten Leistungsniveau durch ein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können;”
Diese Forderung sollte erreichen, dass zwischen LDTs und kommerziellen Produkten am Markt kein Wettbewerb herrscht, da sie unterschiedlich reguliert werden. Nun hat die EU diesen Punkt ganz ans Ende der Übergangsfrist gesetzt mit der Begründung, dass Labore erst dann die Produkte am Markt mit dem eigenen Produkt vergleichen können, wenn auch alle IVD-Produkte am Markt unter IVDR zugelassen und in EUDAMED registriert sind.
Wofür die EU bei LDTs einen Aufschub gewährt
Folgende Punkte des Artikel 5(5) erhalten zwei Jahre Aufschub bis 26. Mai 2024:
- Qualitätsmanagementsystem
Buchstabe b) bezieht sich auf die Forderung nach einem geeigneten Qualitätsmanagementsystem, das mindestens die Entwicklung und Herstellung von IVD aus der ISO 13485 berücksichtigen müsste, um dem Stand der Technik gerecht zu werden.
- Qualitätssicherung im Labor
Buchstabe c) fordert die Einhaltung der Vorgaben der ISO 15189 für die Qualitätssicherung im Labor und die Erfüllung nationaler Akkreditierungs-Vorschriften wie in Deutschland die RiliBÄK (Richtlinie der Bundesärztekammer für die Qualitätssicherung in der Laboratoriumsmedizin).
- Bereitstellung von Information
Buchstabe e) Bereitstellung von Information für Behörden über Herstellung, Modifikation und Verwendung
- öffentliche Erklärung
Buchstabe f) Erklärung über die Einhaltung des Anhang I der IVDR
- Dokumentation
Buchstabe g) Dokumentation zu Fertigung, Konstruktion und Leistung, Also sozusagen die “Produktakte”
- Nachweis Herstellung nach Vorgaben (Batch record)
Buchstabe h) Nachweis der Herstellung gemäß der Spezifikationen in der “Produktakte”
- Schwerwiegende Vorkommnisse und Korrekturmaßnahmen
Buchstabe i) Sammeln und Bewerten von Erfahrungen in der klinischen Anwendung, sowie Ableiten von Korrekturmaßnahmen
e) EUDAMED
Die Frist für eine EUDAMED-Registrierung von IVD ist nach bisherigem Stand der 26. November 2023.
Dies ergibt sich aus Artikel 26 Absatz 3 IVDR sowie aus Artikel 113 IVDR, der darauf Bezug nimmt. Art. 113 IVDR verweist auch darauf, dass IVD 18 Monate nach dem Geltungsbeginn der IVDR in EUDAMED registriert werden müssen. Soweit die Datenbank am 20. Mai 2022 voll funktionsfähig ist, bleibt es bei der Frist zur Registrierung bis zum 26. November 2023.
3. Was sich nicht ändert
Die IVDR gilt ab 26. Mai 2022. Damit gelten auch die Überwachungspflichten der Produkte im Markt (Artikel 78 bis 81) sowie zur Vigilanz (Artikel 82 bis 87) und der Überwachung durch zuständige Behörden, ungeachtet der Übergangsfristen. Somit ist das gesamte Kapitel VII der IVDR anzuwenden, auch wenn die Produkte noch unter IVDD in Verkehr gebracht werden. Außerdem müssen sich Wirtschaftsakteure in der EUDAMED registrieren.
However , the requirements of this Regulation relating to post-market surveillance, market surveillance, vigilance, registration of economic operators and of devices shall apply to devices referred to […] instead of the corresponding requirements in Directive 98/79/EC.
Vorschlag der EU Kommission vom 14. Okt. 2021 zur Anpassung der IVDR (EU) 2017/746
Die Benannte Stelle, die unter der IVD-Richtlinie Zertifikate ausgestellt hat, ist auch in der Übergangsfrist weiter zuständig für die Überwachung der Konformität.
Wichtig ist zudem, dass keine wesentlichen Änderungen an den Produkten oder deren Zweckbestimmung in der Übergangsfrist durchgeführt werden, denn dann müssen Hersteller die IVDR unmittelbar und vollends anwenden.
4. Hintergrund der Änderungen
Die IVDR ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten und gilt seit dem 26. Mai 2022 verbindlich. Daran ändern auch die neuen Fristen nichts. Damit wäre bisher ein großer Teil der unter der IVDD ausgestellten Konformitätserklärungen ab Mai 2022 ungültig geworden.
Am 14. Oktober 2021 hat die EU-Kommission dem Rat und dem Parlament jedoch einen Änderungsvorschlag für die IVDR vorgelegt, um Herstellern mehr Zeit zu verschaffen, das Konformitätsbewertungsverfahren zu durchlaufen. Die daraus resultierende Änderungsverordnung hat in kürzester Zeit das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.
Gründe
Die Kommission hat ihren Vorschlag vor allem mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie begründet: Diese binde viele Ressourcen, wodurch eine rasche Umsetzung nötiger Maßnahmen kaum möglich sei.
Doch auch die derzeitigen Auswirkungen der MDR auf den Medtech-Markt dürften eine Rolle spielen. Ein Produkt-Kahlschlag wie durch die MDR soll für In-vitro-Diagnostika vermieden werden. Bereits seit Monaten schlagen verschiedene Akteure Alarm.
- Zahlreiche Stakeholder aus Politik, der Medtech-Industrie, von Benannten Stellen, dazu medizinische Fachkräfte, Wissenschaftler:innen und gemeinnützige Organisationen haben vor den Gefahren der zu kurzen Fristen der IVDR gewarnt.
- Am 11.5.2021 bzw. 15.6.2021 haben sich verschiedene Parteien sowie der Rat der Gesundheitsminister an die Kommission gewandt, um eine Neuregelung zu erwirken.
Wie dramatisch die Lage ist, erkannte die Kommission in ihrem Vorschlag an:
- Es gibt derzeit nur sechs Benannte Stellen in ganz Europa, die sich mit der IVDR befassen können (unter der IVDD waren es 18).
- Dabei muss nun für erheblich mehr In-vitro-Diagnostika eine Benannte Stelle involviert werden: Bisher lag die Quote bei ca. 8 % der auf dem Markt befindlichen In-vitro-Diagnostika. Unter der IVDR müssten bei knapp 78 % (insgesamt ca. 24.000 IVD) eine Benannte Stelle involviert werden.
- Nach einer Erhebung von MedTech Europe würden ohne Verlängerung der Fristen ab 2022 ca. 22 % der In-vitro-Diagnostika vom Markt verschwinden (momentan sind rund 40.000 IVD auf dem Markt, d. h. 9.000 würden verschwinden).
- Gerade Covid-19 habe jedoch gezeigt, wie wichtig zuverlässige In-vitro-Diagnostika seien.
- Ca. 70 % der klinischen Entscheidungen werden mithilfe von In-vitro-Diagnostika getroffen.
5. Was die Änderungen für Hersteller bedeuten
- Hersteller sollten unbedingt weiter an ihrem Umsetzungsplan festhalten, damit ihre IVD rechtzeitig IVDR-konform werden.
- Gerade aufgrund der knappen Ressourcen sollten Hersteller nicht unnötig Zeit verstreichen lassen.
- Hersteller sollten sich über die Risikoklasse ihrer IVD klar werden. Hiervon hängt nicht nur das Konformitätsbewertungsverfahren ab, sondern auch die Übergangsfrist.
6. Fazit
Die IVDR gilt seit dem 26. Mai 2022. Daran ändern auch die neuen Regelungen in der IVDR nichts. Allerdings erhält nun ein Großteil der IVD-Hersteller mehr Zeit, um die nötigen Konformitätsnachweise für ihre Produkte zu erbringen. Angesichts der wenigen Benannten Stellen, die es bislang für die IVDR gibt, und die allgemein angespannte Lage aufgrund der Corona-Pandemie, dürfte dies für viele eine große Erleichterung bringen – und wichtige IVD-Produkte vor dem Verschwinden vom Markt bewahren. Auch für Medizinische Labore gelten nun einige Anforderungen erst mit zeitlicher Verzögerung. Dennoch müssen auch sie für In-House-Produkte bzw. Lab developed Tests die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen.
7. Aktuelles
Zweiundzwanzig Tage vor Geltungsbeginn der IVDR hat die MDCG eine neue Leitlinie veröffentlicht, die MDCG 2022-6. Diese soll Klarheit über das Konzept von „wesentlichen Veränderungen der Auslegung und Zweckbestimmung“ gemäß Artikel 110(3) der IVDR verschaffen. Damit ist die Leitlinie insbesondere relevant für Hersteller von IVDD-konformen Produkten, die noch nach dem 26. Mai 2022 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden sollen. Die Guidance orientiert sich an der im März 2020 veröffentlichten Leitlinie MDCG 2020-03.
Die MDCG legt zunächst fest, was keine „wesentlichen Veränderungen“ sind. Dies umfasst insbesondere administrative Änderungen und organisatorische Änderungen – eng angelehnt an MDCG 2020-03. Im Weiteren werden die „wesentlichen Veränderungen der Auslegung und Zweckbestimmung“ definiert. Hierbei wird auf die sechs Flussdiagramme im Anhang verwiesen und es werden konkrete Beispiele aufgeführt.
Fazit
Wenn man sich als IVD-Hersteller bereits mit der MDCG 2020-3 auseinandergesetzt hat, ist die MDCG 2022-6 keine große Überraschung. Einen Mehrwert liefern jedoch die konkreten Beispiele ab Kapitel 4.3.2.1.
Unsere strategischen Expertinnen und Experten des Johner Instituts unterstützen Sie gern bei Fragen zur Zulassungsstrategie von IVD oder speziell zum Thema Lab developed Tests. Kontaktieren Sie uns einfach über das Formular oder schreiben Sie eine E-Mail.
Versionshistorie:
- 2022-05-06: Hinweise zu MDCG 2022-6 ergänzt.
- 2022-03-22: Unter 2e) Hinweise zur Registrierungsfrist in EUDAMED eingefügt.