Free Sales Certificate – Exportbescheinigung – Verkehrsfähigkeitsbescheinigung – Freihandelszertifikat – Freiverkaufszertifikat: Nicht einmal beim Namen herrscht bei den Behörden Konsens. Dennoch sind die „Free Sales Certificates“ für exportierende Hersteller wesentlich.
Wann Sie ein solches Freihandelszertifikat benötigen, wie und wo Sie es erhalten und welche Voraussetzungen Sie dafür erfüllen müssen, lesen Sie in diesem Artikel.
1. Free Sales Certificate / Freihandelszertifikat: Der Hintergrund
a) Inverkehrbringung in Europa und den USA
Wenn ein Hersteller in Europa sein Produkt (z. B. ein Medizinprodukt) in den Verkehr bringen will, muss er klare Regeln einhalten: Beispielsweise muss er im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens nachweisen, dass sein Produkt die grundlegenden Anforderungen erfüllt, die die EU-Richtlinien benennen. Bei Medizinprodukten sind das die Medizinprodukterichtlinie (MDD) bzw. die MDR. Auch die USA regeln die Voraussetzung für eine Inverkehrbringung sehr klar. Hier bedarf es keiner Freihandelszertifikate.
b) Inverkehrbringung in vielen anderen Ländern
Viele andere Länder wie beispielsweise Pakistan oder Kolumbien erlauben die Vermarktung von Produkten, die für andere Märkte, z. B. den europäischen Markt, zugelassen sind. Somit müssen die Hersteller nachweisen können, dass ihre Produkte dort tatsächlich legal vermarktet werden dürfen.
Diesen Nachweis erhalten sie in Form einer Bestätigung durch die zuständigen Behörden. In Deutschland wären das beispielsweise die Regierungspräsidien oder Landesämter. Diese Bestätigungen heißen je nach Behörde Free Sales Certificate (FSC), Exportbescheinigung, Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder Freihandelszertifikat.
2. Regulatorischer Hintergrund
a) Altes MPG
Dass die Behörden diese Free Sales Certificates (FSC) (Freihandelszertifikate, Verkehrsfähigkeitsbescheinigung) ausstellen müssen, regelte § 34 MPG „Ausfuhr von Medizinprodukten“. Dort hieß es:
„Auf Antrag eines Herstellers oder Bevollmächtigten stellt die zuständige Behörde für die Ausfuhr eine Bescheinigung über die Verkehrsfähigkeit des Medizinproduktes in Deutschland aus.“
Im gleichen Paragrafen schrieb das MPG:
„Medizinprodukte, die einem Verbot nach § 4 Abs. 1 unterliegen, dürfen nur ausgeführt werden, wenn die zuständige Behörde des Bestimmungslandes die Einfuhr genehmigt hat, nachdem sie von der zuständigen Behörde über die jeweiligen Verbotsgründe informiert wurde.“
Mit § 4 Abs. 1 sind Produkte gemeint, bei denen
„der begründete Verdacht besteht, dass sie die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten, der Anwender oder Dritter bei sachgemäßer Anwendung, Instandhaltung und ihrer Zweckbestimmung entsprechender Verwendung über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinausgehend unmittelbar oder mittelbar gefährden oder das Datum abgelaufen ist, bis zu dem eine gefahrlose Anwendung nachweislich möglich ist.“
Das heißt, dass das MPG Herstellern sogar den Export von nicht-konformen Produkten verbot, außer das Zielland erklärt sich explizit damit einverstanden.
b) MDR & IVDR
Die EU-Verordnungen MDR und IVDR regeln in Artikel 60 bzw. Artikel 55 die Freiverkaufszertifikate. Beide Artikel sind fast buchstabenidentisch und legen fest:
- Es ist Aufgabe der Mitgliedsstaaten, die Freiverkaufszertifikate auszustellen. Details regeln nationale Gesetze wie das MDCG.
- Das Freiverkaufszertifikat enthält:
- Bestätigung, dass der Hersteller im Mitgliedsstaat eine Niederlassung hat
- Bestätigung, dass das Produkt eine CE-Kennzeichnung gemäß MDR bzw. IVDR trägt
- Basis UDI-DI
- Ggf. Nummer der Konformitätsbescheinigung, die die Benannten Stelle ausgestellt hat
Die beiden Verordnungen geben sich das Recht, Durchführungsrechtsakte dazu zu erlassen, was aber bisher nicht geschehen ist.
Tipp
Nutzen Sie das FAQ der CAMD (Competent Authorities for Medical Devices).
Es beantwortet z. B. die Fragen, ob Behörden für Inverkehrbringer von Systemen und Behandlungseinheiten Freiverkaufszertifikate ausstellen dürfen oder welche Möglichkeiten Händler und Importeure haben.
c) MPDG
Die nationalen Gesetze konkretisieren die Vorgaben von MDR bzw. IVDR. Im Falle Deutschlands ist das § 10 MPDG. Dieser Paragraf gilt auch für Produkte, die noch unter den alten EU-Richtlinien in den Verkehr gebracht werden. Er legt fest, dass die „zuständigen“ Behörden für die Ausstellung der Freiverkaufszertifikate zuständig sind. Das sind je nach Bundesland somit (weiterhin) die Regierungspräsidien, Gewerbeaufsichtsämter, Regierungen oder Landesämter.
Im Mai 2022 wurde Satz 1 des § 10 geändert und weiter an die MDR und IVDR angepasst. Explizit sind dort nun die berechtigten Antragsteller gemäß EU-Verordnungen genannt, nämlich Hersteller, Bevollmächtigte, Produzenten von Systemen und Behandlungseinheiten und Importeure.
3. Wie man ein Free Sales Certificate / eine Exportbescheinigung erhält
Zuständige Behörden
Die Freiverkaufszertifikate können die Hersteller bei ihrer zuständigen Behörde beantragen, also den eben genannten Regierungspräsidien, Regierungen, Landesämtern oder Gewerbeaufsichtsämtern.
Firmen, die ihren Firmensitz außerhalb der EU haben, aber durch einen EU-Repräsentanten in Deutschland vertreten sind, können über eben diesen Repräsentanten ebenfalls eine solche „Exportbescheinigung“ beantragen.
Weiterführende Informationen
Sie finden hier Beispiele für die Vorgaben zu den Free Sales Certificates:
In der Regel können die Hersteller die Free Sales Certificates formlos beantragen, z. B. per E-Mail.
Notwendige Informationen
Damit die Behörde die Freihandelszertifikate ausstellen kann, benötigt sie vom Hersteller folgende Informationen:
- Angaben zum Hersteller und zu dessen Ansprechpartner
- Gewünschte Sprache (außer Deutsch). Vorgegeben ist meist Englisch.
- Optional: Angaben zum Empfängerland und ggf. zu einem Empfänger (z. B. einer dortigen Behörde).
- Produkt oder Produktlisten. Bei einem Produkt müssen eindeutige IDs bzw. Artikelnummern sowie der Name des Produkts (ggf. in Deutschland und im Zielland) angegeben werden.
- Konformitätserklärung
- EG-Zertifikat(e) der Benannten Stelle (außer bei Klasse-I-Produkten)
- Klasse des Produkts
Dauer und Kosten
Unsere eigenen Erfahrungen beim Beantragen von Freiverkaufszertifikaten (Free Sales Certificates) waren durchwegs positiv. Die Behörden stellen diese meist innerhalb von zwei Wochen aus. Die Kosten betragen bei einem einzelnen Produkt oft weniger als 100 EUR. Bei umfangreichen Produktlisten gibt es deutliche Rabatte.
Änderungshistorie
- 2022-06-30: Hinweise zur Änderung des MPDG ergänzt
- 2022-06-27: Artikel weitgehend aktualisiert; u. a. die Kapitel zur MDR und zum MPDG neu eingefügt