Mangelhaft gestaltete Gebrauchsanweisungen sind häufig Ursache für Benutzungsfehler, welche zu Schäden bei Patienten und Anwendern führen können. Zudem unterliegen Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte und IVD strengen regulatorischen Anforderungen. MDR, IVDR, die FDA sowie zahlreiche Normen stellen spezifische Anforderungen an Gebrauchsanweisungen.
In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie eine Gebrauchsanweisung schreiben,
- die hilft, Schäden bei Patienten, Anwendern oder Dritten zu vermeiden,
- die alle relevanten Regularien erfüllt und somit im Audit besteht,
- die nutzerfreundlich ist und dadurch die Zufriedenheit Ihrer Kunden erhöht und den Markterfolg steigert.
1. Definition und Synonyme
Definition: Gebrauchsanweisung (MDR)
„bezeichnet vom Hersteller zur Verfügung gestellte Informationen, in denen der Anwender über die Zweckbestimmung und korrekte Verwendung eines Produkts sowie über eventuell zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen unterrichtet wird;“
Definition: Instructions for use (ISO 20417)
“package insert; portion of the accompanying information that is essential for the safe and effective use of a medical device or accessory directed to the user of the medical device“
Definition: Instructions for use (IMDRF/GRRP WG/N52)
“General and technical information provided by the manufacturer to inform the user of the medical device or IVD medical device’s intended purpose and proper use and of any contraindications, warnings, or precautions to be taken. It is provided by the manufacturer to support and assist the device users in its safe and appropriate use.”
Mit Gebrauchsanweisung ist also in der Regel ein gedrucktes Begleitmaterial gemeint, welches den Nutzer über Zweckbestimmung, Sicherheitsinformationen und die korrekte Verwendung informieren soll.
Als Synonyme werden häufig folgende Begriffe verwendet:
- Bedienungsanleitung
- Handbuch
- Operation Manual
- User Guide
- IFU (instructions for use)
Gemeint ist jeweils das gleiche.
2. Regulatorische Anforderungen an Gebrauchsanweisungen
Zahlreiche Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Normen und andere Vorschriften stellen Anforderungen an die Gebrauchsanweisungen. Dazu zählen:
Regularien
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Beschreibung
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Medizinprodukteverordnung (MDR)
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Anforderungen an Gebrauchsanweisungen werden insbesondere in Anhang I Absatz 23 gestellt.
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In-vitro-Diagnostik-Verordnung (IVDR)
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Anforderungen an Gebrauchsanweisungen werden insbesondere in Anhang I Absatz 20 gestellt.
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Verordnung 2021/2226 zu elektronischen Gebrauchsanweisungen | Die VO 2021/2226 regelt, unter welchen Voraussetzungen die Gebrauchsanweisung elektronisch bereitgestellt werden darf (eIFU) und welche Anforderungen damit verknüpft sind. Aktuell wird die Verordnung überarbeitet, um eIFUs auch für Laienanwender von Softwareprodukten zu ermöglichen (siehe hier). |
IEC 62366-1
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Die Gebrauchsanweisung zählt zum User Interface. Entsprechend muss sie gemäß einem Usability-Engineering-Prozess nach der 62366-1 entwickelt werden.
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IEC 60601-1
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Kapitel 7.9 legt fest, welche Inhalte Gebrauchsanweisungen von medizinisch-elektrischen Geräten enthalten müssen.
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ISO 20417
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Die ISO 20417 ersetzt die EN 1041 und stellt insbesondere in Kapitel 6.6 Anforderungen an die Gebrauchsanweisung.
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ISO 18113-(1-5): IVD − Bereitstellung von Informationen durch den Hersteller
– Teil 1: Begriffe und allgemeine Anforderungen
– Teil 2: Reagenzien für den Gebrauch durch Fachpersonal
– Teil 3: Geräte für in-vitro-diagnostische Untersuchungen zum Gebrauch durch Fachpersonal
– Teil 4: Reagenzien für in-vitro-diagnostische Untersuchungen zur Eigenanwendung
– Teil 5: Geräte für in-vitro-diagnostische Untersuchungen zur Eigenanwendung
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Die Teile 1-5 der ISO 18113 legen fest, welche Anforderungen Gebrauchsanweisungen für IVD erfüllen müssen.
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IMDRF/GRRP WG/N52 FINAL:2019: Principles of Labelling for Medical Devices and IVD Medical Devices
| Das Ziel dieses Dokuments der IMDRF/GRRP ist es, international harmonisierte Anforderungen an das Labelling (inklusive Gebrauchsanweisungen) aufzustellen. |
FDA: 21 CFR part 801 und 809
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Die FDA stellt eine Reihe von Anforderungen an die Gebrauchsanweisung; im 21 CFR part 801 für Medizinprodukte und im part 809 für IVD.
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FDA Guidance on Medical Device Patient Labeling
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Medizinproduktehersteller sollten sich an diesen Leitfaden für Zulassungen in den USA halten. Darüber hinaus bietet er auch für Zulassungen außerhalb der USA hilfreiche Tipps für das Erstellen von Gebrauchsanweisungen.
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FDA Guidance: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices
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Analog zur 62366-1 sollten sich Hersteller bei der Entwicklung von Gebrauchsanweisung für den US-Markt an die Vorgaben dieses Leitfadens halten.
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a) Best Practice Guides zum Erstellen von Gebrauchsanweisungen
Weitere Normen und Leitfäden geben Hinweise, wie man gute Gebrauchsanweisungen schreibt:
- IEC/IEEE 82079-1: Ebenso umfangreich wie handlungsleitend ist die IEC/IEEE 82079-1 (Nachfolger der DIN EN 62079). Obwohl diese Norm keinen Branchenfokus hat, gilt sie auch für Medizinprodukte als Stand der Technik für die Erstellung von Gebrauchsanweisungen.
- AAMI TIR 49: Im Gegensatz zur 82079-1 legt die AAMI TIR 49 den Fokus auf Medizinprodukte und Hinweise zum „Design of training and instructional materials for medical devices used in non-clinical environments“.
- ANSI Z535: Die ANSI Z535 legt fest, wie sicherheitsbezogene Hinweise zu gestalten sind, beispielsweise wie Symbole und Farben zu verwenden sind.
- Die WHO Guidance: Designing instructions for use for in vitro diagnostic medical devices gibt auch für Geräte, die keine IVD sind, wertvolle Tipps zum Erstellen von Gebrauchsanweisungen. Sie gibt sogar eine Struktur vor und enthält Textvorlagen.
Mehr zu den Empfehlungen dieser Leitfäden finden Sie in den Kapiteln 4 und 5.
b) Wann es einer Gebrauchsanweisung bedarf und wann nicht
Bestimmungen der MDR
Die Medizinprodukteverordnung (MDR) erlaubt es, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Gebrauchsanweisung zu verzichten (siehe Abbildung 1). Sie schreibt im Anhang I, Kapitel 23.1 d.:
„Die Gebrauchsanweisung wird zusammen mit dem Produkt bereitgestellt. Eine Gebrauchsanweisung ist für Produkte der Klassen I und IIa ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine sichere Anwendung dieser Produkte ohne Gebrauchsanweisung gewährleistet ist und sofern an anderer Stelle dieses Abschnitts nichts anderes angegeben ist.“
Der Nachweis, dass das Produkt auch ohne die Gebrauchsanweisung sicher verwendet werden kann, kann auf zwei Wegen erbracht werden:
- Die Risikoanalyse des Herstellers nach ISO 14971 zeigt, dass durch eine Fehlanwendung des Produkts keine Gefährdungssituation für Anwender oder Patienten ausgehen. Damit ist eine sichere Anwendung des Produkts auch ohne Gebrauchsanweisung impliziert. Dieser Nachweis birgt allerdings die Gefahr, dass man mögliche Benutzungsfehler der Anwender in daer Risikoanalyse nicht berücksichtigt. Häufig beobachten Hersteller erst im Usability-Test Benutzungsfehler, an die sie vorher nicht gedacht haben.
- Usability-Tests stellen daher eine aussagekräftigere Methode zum Nachweis dar. Wenn in Usability-Tests den vorgesehen Anwendern in der vorgesehenen Gebrauchsumgebung auch ohne Gebrauchsanweisung keine Benutzungsfehler unterlaufen, liefert dass den objektiven Nachweis der sicheren Anwendbarkeit.
Abbildung 1: Unter gewissen Voraussetzungen bedarf es nach der MDR keiner Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte bzw. kann diese in elektronischer Form bereitgestellt werden.
Bestimmungen der IVDR
Auch bei IVD kann unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Gebrauchsanweisung verzichtet werden (siehe Abbildung 2). Im Gegensatz zur MDR macht die IVDR diese Ausnahme aber nicht von der Klasse des Produkts abhängig. Die IVDR schreibt in Anhang I, Kapitel 20.1.d:
„Die Gebrauchsanweisung wird zusammen mit dem Produkt bereitgestellt. In hinlänglich begründeten Ausnahmefällen sind allerdings keine Gebrauchsanweisungen erforderlich oder können diese gekürzt werden, wenn das Produkt ohne solche Anleitungen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden kann.“
Abbildung 2: Die IVDR regelt, unter welchen Bedingungen auf die Gebrauchsanweisung verzichtet werden kann und wann diese in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden darf.
Grundsätzlich muss die Gebrauchsanweisung in Papierform vorliegen. Ausnahmen sind unter gewissen Voraussetzungen möglich (siehe Kapitel 5d).
MDR und IVDR fordern, dass die Gebrauchsanweisung zusammen mit dem Produkt bereitgestellt wird.
Liefert der Hersteller mehrere Produkte an einen Anwender und/oder Ort aus, reicht unter folgenden Bedingungen die Bereitstellung nur einer Gebrauchsanweisung:
- Die Bereitstellung nur einer Gebrauchsanweisung wurde vorher mit dem Käufer vereinbart und
- es können jederzeit auf Nachfrage kostenlose Exemplare nachgeliefert werden.
Unter der IVDR ist die Bereitstellung nur einer Gebrauchsanweisung unter den gleichen Bedingungen möglich. Voraussetzung ist, dass es sich nicht um Produkte zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests handelt.
Eine Gebrauchsanweisung muss nicht als ein gebundenes Dokument vorliegen. Es kann sogar empfehlenswert sein, die Gebrauchsanweisung auf mehrere Dokumente aufzuteilen, z. B. in eine Version speziell für Laien und eine für professionelle Anwender oder Servicekräfte.
d) Bereitstellung als elektronische Gebrauchsanweisung (eIFU)
Unter der MDR hat der Hersteller die Möglichkeit, die Gebrauchsanweisung nur elektronisch zur Verfügung zu stellen. Die Verordnung 2021/2226 zu elektronischen Gebrauchsanweisungen legt fest, wann eine Gebrauchsanweisung in elektronischer Form anstatt in Papierform erlaubt ist.
Die EU-Verordnung 2021/2226 zu elektronischen Gebrauchsanweisungen gilt nicht für IVD. Stattdessen regelt die IVDR in Anhang I, Kapitel III, 20.1.f, wann Hersteller von der Papierform abweichen dürfen:
„Wenn das Produkt lediglich für den beruflichen Gebrauch bestimmt ist, kann die Gebrauchsanweisung dem Anwender in anderer Form als in Papierform (z. B. elektronisch) bereitgestellt werden, es sein denn, das Produkt ist für patientennahe Tests vorgesehen.“
e) Inhalte von Gebrauchsanweisungen
Trägt man die Anforderung der oben genannten Regularien zusammen, ergeben sich unter anderem folgende übergeordnete Inhalte:
Abbildung 3: Übergeordnete Inhalte der Gebrauchsanweisung
f) Anforderungen an die Sprache von Gebrauchsanweisungen
In Artikel 10 (11) der MDR bzw. Artikel 10 (10) der IVDR wird gefordert, dass die Gebrauchsanweisung in einer oder mehreren der vom Zielland festgelegten Sprache(n) vorliegen muss.
Belgien fordert beispielweise, dass die Gebrauchsanweisung auf Deutsch UND Niederländisch UND Französisch vorliegen muss.
Es gibt eine hilfreiche Aufstellung der Notified Bodies, welches Land welche Sprache(n) verlangt/erlaubt. Diese Aufstellung können Sie sich hier herunterladen (als Word-Datei!). Leider ist die Seite sehr unzuverlässig, daher finden Sie auch hier eine Aufstellung der erlaubten Sprachen in Gebrauchsanweisungen. Diese Liste der Notified Bodies ist von 2008 und somit in einigen Punkten eventuell nicht mehr aktuell. Sie bezieht sich auf die MDD (93/42/EEC). Für IVD kann es daher abweichende Sprachanforderungen geben.
Weiterführende Informationen
Nehmen Sie Kontakt zu unseren Beratern auf, um eine aktuelle Liste mit Sprachanforderungen an die Gebrauchsanweisung und Kennzeichnung für Medizinprodukte und IVD innerhalb der EU zu erhalten.
In Deutschland regelt das Medizinproduktedurchführungsgesetz die Sprachfrage:
8 (2) „Produkte dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur dann an Anwender und Patienten abgegeben werden, wenn die für Anwender und Patienten bestimmten Informationen in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden. In begründeten Fällen dürfen die Informationen auch in englischer Sprache oder einer anderen für den Anwender des Medizinproduktes leicht verständlichen Sprache zur Verfügung gestellt werden, wenn diese Informationen ausschließlich für professionelle Anwender bestimmt sind und die sicherheitsbezogenen Informationen auch in deutscher Sprache oder in der Sprache des Anwenders zur Verfügung gestellt werden.“
In der Schweiz muss die Gebrauchsanweisung grundsätzlich auf Deutsch UND Französisch UND Italienisch vorliegen, unabhängig vom Sprachgebiet. Weniger als drei Amtssprachen oder Englisch ist für Fachpersonen erlaubt, sofern diese damit einverstanden sind und sich daraus keine Risiken ergeben (siehe MepV Art. 16).
g) Anforderungen an die Übersetzung der Gebrauchsanweisungen
Die MDR bzw. IVDR stellen keine expliziten Anforderungen an die Übersetzung der Gebrauchsanweisung. Die Gebrauchsanweisung muss jedoch für die vorgesehen Nutzer in allen Zielsprachen verständlich sein. Im Anhang I Absatz 23.1 a der MDR heißt es dazu:
„Insbesondere ist die Gebrauchsanweisung so zu verfassen, dass sie von dem vorgesehenen Anwender ohne Schwierigkeiten verstanden wird […]“.
Das stellt besondere Anforderungen an die Übersetzung der Gebrauchsanweisung von der Originalsprache in die Zielsprache.
Anforderungen an den Übersetzungsprozess sowie den Linguisten kommen unter anderem von der IEC/IEEE 82079‑1 sowie vom Qualitätsstandard für Übersetzungsdienstleister ISO 17100:2015. Der Linguist sollte beispielweise folgende Kompetenzen besitzen:
- Er sollte theoretisches Wissen und praktische Erfahrung beim Übersetzen von medizinischen Texten besitzen.
- Er sollte die Originalsprache fließend beherrschen.
- Er sollte Muttersprachler der Zielsprache sein.
- Er sollte über eine gewisse Mindesterfahrung im Bereich der angeforderten Übersetzung verfügen und muss mit der produktspezifischen Terminologie vertraut sein.
Insbesondere die Anforderung, Muttersprachler der Zielsprache zu sein, dürfte bei 24 Amtssprachen in der EU von Herstellern selbst nur schwer zu erfüllen sein. Hierbei empfiehlt es sich, Übersetzungsdienstleistern zu vertrauen.
Tipp!
Der Übersetzungsdienstleister sollte Erfahrung im Bereich der Medizintechnik vorweisen können, ein zertifiziertes Quality-Management-System nach ISO 9001:2015, ISO 17100:2015 und ISO 13485:2016 besitzen und zusätzlich auf den Bereich Gebrauchsanweisung im Rahmen der MDR bzw. IVDR spezialisiert sein.
3. Entwicklungsprozess der Gebrauchsanweisung
Die IEC 62366-1 und der FDA-Leitfaden „Human Factors Engineering“ fordern einen Prozess für die Entwicklung eines User Interfaces (UI). Die Gebrauchsanweisung ist integraler Bestandteil des User Interface. Hersteller müssen deswegen den Usability-Engineering-Prozess auch auf die Gebrauchsanweisung anwenden, was Usability-Tests der Gebrauchsanweisung mit repräsentativen Nutzern einschließt.
Zusätzlich geben sowohl die IEC 82079-1 als auch die AAMI TIR 49 spezifische Empfehlungen für die Etablierung eines Prozesses zur Erstellung von Gebrauchsanweisungen.
Der Prozess für die Entwicklung von Gebrauchsanweisungen sollte unter anderem folgende Schritte beinhalten:
Abbildung 4: Das Schreiben von Gebrauchsanweisung ist ein fortwährender Prozess
Der Prozess sollte iterativ angewendet werden. Das heißt, dass zu wichtigen Meilensteinen eine Evaluierung stattfinden und die Ergebnisse der Evaluierung als Input für die Weiterentwicklung dienen sollten.
4. Typische Fehler und ihre Folgen
a) Auf welche Fehler die Berater und Auditoren des Johner Instituts regelmäßig stoßen
- Die Gebrauchsanweisung ist inhaltlich falsch.
- Sie stimmt nicht (mehr) mit dem Produkt überein (das ist besonders bei Software-Updates der Fall).
- Es ist unklar, auf welches Produkt bzw. auf welche Variante sich die Gebrauchsanweisung bezieht und welche Version der Gebrauchsanweisung vorliegt.
- Begriffe sind nicht definiert, eine konsistente Terminologie fehlt, was Missverständnisse fördert.
- Die Texte sind unverständlich, Sätze sind zu lang, viele Formulierungen sind im Passiv und zu abstrakt. Die Sprache verwendet technische Begriffe und orientiert sich nicht am Vokabular der Zielgruppe.
- Die Struktur fehlt und ist nicht nachvollziehbar, was Navigation und Orientierung erschwert.
- Grafiken oder andere Formen der Visualisierung fehlen.
- Schriftgrößen sind zu klein und Farbkodierungen fehlen bzw. werden inkonsistent oder gar normenwidrig verwendet. Das gleiche gilt für Textgrößen und Textauszeichnungen sowie für die Seitenformatierung und die Verwendung von Elementen wie Symbolen.
- Die Übersetzungen fehlen oder sind fehlerhaft. Google Translate ist ein No-Go.
- Für verschiedene Produktvarianten und Kombinationen mit anderen Produkten gibt es nur eine einzige Gebrauchsanweisung, die entsprechend schwer zu verstehen ist.
- Inhalte, die für das Verständnis und die sichere Anwendung notwendig sind, fehlen. Es werden insbesondere nicht alle Aufgaben sowie der komplette Lebenszyklus von der Installation bis zur Außerbetriebnahme und Entsorgung beachtet.
- Überflüssige Informationen, z. B. über den Hersteller, blähen die Gebrauchsanweisung auf.
- Die Gebrauchsanweisung wurde nicht von qualifiziertem Personal erstellt, sondern z. B. von ungeübten Entwicklern.
- Die Hersteller überprüfen die Wirksamkeit der Gebrauchsanweisung nicht, z. B. im Rahmen eines Usability-Tests.
- Die Zielgruppe wird nicht ausreichend berücksichtigt.
- Die Hersteller haben keinen Prozess festgelegt, wie dem Nutzer auch nach Auslieferung Fehler in der Gebrauchsanweisung kommuniziert werden.
b) Welche Konsequenzen mangelhafte Gebrauchsanweisungen haben können
In Dutzenden Usability-Tests haben unsere Berater immer wieder Benutzungsfehler aufgrund von mangelhaften Gebrauchsanweisungen beobachtet. Probleme in Usability-Tests aufgrund mangelhafter Gebrauchsanweisungen können die Produktzulassung verzögern.
Sollte Ihr Produkt mit einer mangelhaften Gebrauchsanweisung bereits in Verkehr gebracht worden sein, können im schlimmsten Fall Schäden für Patienten, Anwender oder Dritte die Folge sein.
5. Fünf Tipps zum Schreiben von Gebrauchsanweisungen
1. Tipp: Übertragen Sie diese Aufgabe an Profis
Überlassen Sie das Schreiben von Gebrauchsanweisungen nicht Entwicklern oder Produktmanagern, die nicht dafür qualifiziert sind. Sie benötigen darauf spezialisierte Autoren, Redakteure, Übersetzer, Lektoren, Illustratoren und Prüfer.
2. Tipp: Spezifizieren Sie Ihre Leser und Ihre Ziele
Eine Gebrauchsanweisung ist nicht per se gut oder schlecht. Die Gebrauchsanweisung muss für die in der Zweckbestimmung spezifizierten Anwender geschrieben sein. Eine Gebrauchsanweisung für das medizinische Fachpersonal unterscheidet sich von der für einen Laien genauso wie von der für einen Servicetechniker.
Sie sollten Ihre Ziele, die Sie mit der Gebrauchsanweisung erreichen wollen, schriftlich formulieren. Welche Nutzungsfehler und damit welche Risiken möchten Sie minimieren? Bei welchen Aufgaben soll eine sichere Nutzung gewährleistet werden?
3. Tipp: Nutzen Sie eine konsistente Struktur und einen Redaktionsleitfaden
Eine konsistente Darstellung erleichtert das Lesen. Ein Redaktionsleitfaden sollte regeln, dass eine Anleitung die folgenden Elemente beinhaltet:
- Thema/Überschrift
- Beschreibung
- Ziel der Handlung
- Voraussetzung
- Zustand
- Handlung
- Zu erzielendes Ergebnis
- Warnung
- Beispiel
- Bilder und Tabellen jeweils mit zugehörigen Beschriftungen
Beim Gestalten von Gebrauchsanweisungen sollten Sie u. a. folgende Punkte berücksichtigen:
- Nummerieren Sie die einzelnen Schritte in arabischer Zahlenschrift.
- Verfassen Sie Anweisungen im Imperativ, in der Aktivform und in einfacher Sprache.
- Verwenden Sie Verben und keine Substantivierungen.
- Beschreiben Sie pro Schritt nur eine Handlung (bzw. maximal drei logisch und eng verknüpfte Handlungen). Geben Sie pro Satz nur eine Anweisung.
- Wenn Sie Illustrationen einfügen, sollten diese dem erläuternden Text eindeutig zuzuordnen sein.
Regelmäßig formulieren Hersteller zu wenige handlungsleitende Anweisungen.
Abbildung 5: Normen wie die ISO 82097-1 legen fest, wie Anleitungen zu formulieren sind.
4. Tipp: Verstehen Sie das Schreiben als einen (kontinuierlichen) Prozess
Das Schreiben von Gebrauchsanweisungen ist ein Teamsport, der viele Arbeitsschritte durchläuft, die definiert und geplant sein sollten.
Wie das Produkt, so muss auch eine Gebrauchsanweisung kontinuierlich weiterentwickelt werden.
5. Tipp: Beachten Sie die ISO 14971, die IEC 62366-1 bzw. den FDA-Leitfaden ‚Human Factors Engineering‘
Die Gebrauchsanweisung ist Teil des Produkts. Damit unterliegt sie den regulatorischen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit. Die IEC 62366:2006 enthielt für die Begleitmaterialien sogar ein eigenes Kapitel.
Die IEC 62366-1:2015 verlangt, diese Materialien genauso wie das Produkt selbst zu behandeln. Dazu zählt auch die Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit und der Wirksamkeit von Maßnahmen – hier in Form von Hinweisen in der Gebrauchsanweisung.
Professionell arbeitende Firmen kombinieren dazu mehrere Methoden:
- Usability-Tests / teilnehmende Beobachtungen
- Befragungen
- Selbsteinschätzungen
- Gutachten, Inspektionen, Überprüfung durch Experten
- Analyse von Rückmeldungen zu Vorgängerversionen der Gebrauchsanweisung
Das Johner Institut prüft die Gebrauchsanweisungen oft im Rahmen der formativen und summativen Evaluation der Gebrauchstauglichkeit.
6. Fazit
Eine Gebrauchsanweisung zu schreiben erfordert das gleiche Maß an Professionalität wie das Entwickeln des (eigentlichen) Produkts. Diese Aufgabe darf nicht als notwendiges Übel am Ende einer Entwicklung „schnell“ noch an Personen übertragen werden, die dafür nicht ausreichend qualifiziert sind.
Die MDR, IVDR und Normen stellen zwar Anforderungen an die Informationen, die eine Gebrauchsanweisung enthalten muss; konkrete Hilfestellungen, wie gebrauchstaugliche Gebrauchsanweisung zu schreiben sind, finden sich hingegen in anderen Normen wie der IEC 82097-1 oder dem AAMI TIR 49.
Hersteller sollten unbedingt beachten, dass die Wirksamkeit der Gebrauchsanweisung ebenso geprüft werden muss wie andere risikominimierende Maßnahmen, die insbesondere die Gebrauchstauglichkeit betreffen. Daher sollten Gebrauchsanweisungen im Rahmen der formativen und summativen Bewertung der Gebrauchstauglichkeit gemäß IEC 62366-1 ebenfalls bewertet werden.
Die Experten des Johner Instituts in Frankfurt und Washington D.C. helfen Ihnen mit Beratung und Templates beim Verfassen und beim Prüfen auch englischsprachiger Gebrauchsanweisungen. Kontaktieren Sie uns.
Versionshistorie:
- 2022-02-18: Komplette Überarbeitung.