Oft wird von der Zulassung von Medizinprodukten gesprochen, auch wenn etwas anderes gemeint ist: manchmal eine Konformitätsbescheinigung, manchmal eine „Clearance“, manchmal ein erfolgreich durchlaufendes Konformitätsbewertungsverfahren. Begriffe wie „MDR-Zulassung“ sind sogar irreführend.
Dieser Artikel klärt, was unter einer Zulassung von Medizinprodukten zu verstehen ist und wann Hersteller eine solche überhaupt benötigen.
Abb. 1: Viele Begriffe werden synonym gebraucht mit „Zulassung“, sind dies aber nicht ganz.
1. Allgemeines zur Zulassung von Medizinprodukten
Unter einer Zulassung eines Produkts versteht man eine behördliche Erlaubnis, dieses Produkt in einen Markt zu bringen.
Um diese Erlaubnis zu erlangen, müssen gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Voraussetzungen betreffen meist:
- Produkte: Sicherheit, Leistungsfähigkeit, Kennzeichnung …
- Hersteller: QM-System, Überwachungssystem, Versicherungen …
- Registrierung oder Anzeige der Produkte in behördlichen Datenbanken
Manchmal müssen diese Voraussetzungen von Behörden oder Benannten Stellen geprüft werden, bevor die Produkte als „zugelassen“ vermarktet werden dürfen.
Bei der Zulassung von Medizinprodukten ist das nicht anders. Allerdings unterscheiden sich die Voraussetzungen dafür abhängig vom jeweiligen Markt und der Art (z. B. dem Risiko) der Medizinprodukte.
Auch der Begriff Zertifizierung von Medizinprodukten wird häufig verwendet. Er ist allerdings ebenso unpräzise wie „Zulassung von Medizinprodukten“, wie dieser Artikel ausführt.
2. Zulassung von Medizinprodukten im Vergleich
Am Beispiel der „Zulassung“ von Medizinprodukten in den USA und in Europa wird klar, dass die Hersteller dafür vergleichbare, aber nicht identische Anforderungen erfüllen müssen.
a) Allgemeines
USA | EU | |
Werden Medizinprodukte zugelassen? | Ja, die Zulassung erfolgt über die FDA. Die FDA unterscheidet „Exemption“, „Clearance“ und „Approval“. | Nein, Hersteller erklären die Konformität mit den Regularien selbst. In Abhängigkeit der Produktklasse muss eine Benannte Stelle in das Konformitätsbewertungsverfahren eingebunden werden. |
Sind die Anforderungen nach Risiko abgestuft? | Ja (Klassen I, II und III) | Ja (Klassen I, IIa, IIb und III) |
Werden die Produkte durch eine Behörde geprüft? | Nein: Produkte mit sehr geringem Risiko können von der Zulassung befreit werden (Exempt-Status). Eine Prüfung durch die Behörde findet nicht statt, sie besteht allerdings in einigen Fällen auf Prüfungen in akkreditierten Laboren. Die Behörde prüft die Dokumentation. | Die Benannten Stellen prüfen die Produkte bei den meisten Konformitätsbewertungsverfahren nicht. Die Technische Dokumentation prüfen die Benannten Stellen hingegen nach einem Sampling Plan. Ausgenommen sind Klasse-I-Produkte. In einigen Fällen ist die Prüfung durch ein geeignetes Labor gefordert (z. B. Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit) |
Ist eine Inverkehrbringung über Vergleichsprodukte möglich? | Ja, die meisten Produkte werden über das 510(k)-Verfahren auf der Basis von Vergleichsprodukten zugelassen. | Der Weg über Vergleichsprodukte ist möglich, jedoch durch die strengen Kriterien von MDR/IVDR als schwierig anzusehen. |
Wie lange sind die Zulassung bzw. die Zertifikate gültig? | Die Zulassung ist unbefristet. Solange keine signifikanten Änderungen am Produkt vorgenommen werden, bleibt die Zulassung gültig, auch wenn sich die Regularien ändern. | Zertifikate werden mit einer Laufzeit von 5 Jahren ausgestellt. Jedes Produkt muss zum Zeitpunkt der Auslieferung den Stand der Technik nachweisen. Das bedeutet, dass selbst Produkte, die nach Markteinführung unverändert produziert werden, angepasst werden müssen, wenn sich die Regularien ändern. |
b) Anforderungen
USA | EU | |
Gibt es gesetzliche Anforderungen an die Produkte? | Die Anforderungen nennt der FD&C sowie der 21 CFR 800 ff. Relevant sind vor allem die „General Controls“ und „Special Controls“. | Die wichtigsten Anforderungen sind die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I der MDR bzw. IVDR. |
Gibt es gesetzliche Anforderungen an die Dokumentation? | Die Anforderungen sind abhängig von dem Zulassungsverfahren. Für ein 510(k) sind die gesetzlichen Anforderungen an die einzureichende Dokumentation im 21 CFR 807.87 spezifiziert. | Die Anforderungen an die Dokumentation sind in Anhang II der MDR bzw. IVDR spezifiziert. |
Werden klinische Daten gefordert? | Abhängig von der Produktklasse und ob ein Vergleichsprodukt vorliegt. Für die meisten 510(k)s werden beispielsweise keine klinischen Daten benötigt. Für Hochrisikoprodukte sind klinische Daten obligatorisch. | MDR und IVDR legen einen starken Fokus auf die klinische Bewertung. Im Regelfall werden klinische Daten benötigt. |
Müssen die Hersteller ein QM-System errichten und zertifizieren lassen? | Fast alle Hersteller müssen ein QM-System errichten gemäß 21 CFR 820 (Quality System Regulation). Einige Klasse I-Hersteller sind von diesen Anforderungen befreit („GMP exempt“). | Alle Hersteller müssen ein QM-System gemäß Artikel 10(9) der MDR bzw. Artikel 10(8) der IVDR errichten. Eine Zertifizierung ist beim verbreiteten Konformitätsbewertungsverfahren nach Anhang IX Pflicht. |
Müssen oder sollten die Hersteller Normen oder Leitlinien anwenden? | Die FDA erwartet, dass die Hersteller ihre Leitlinien („guidance documents“) befolgen und die „recognized consensus standards“ einhalten. | Den Herstellern wird der Nachweis der Konformität nur dann sinnvoll gelingen, wenn sie die harmonisierten Normen und die Common Specifications einhalten. |
Ist eine Registrierung der Hersteller oder der Produkte notwendig? | Ja | Ja, in der EUDAMED |
c) Dauer und Kosten
USA | EU | |
Wie lange dauern die Verfahren bis zur „Zulassung“? | Die Dauer ist abhängig vom Zulassungsverfahren. Ein 510(k)-Verfahren dauert ca. 3–9 Monate, ein De-Novo-Request ca. 1–1,5 Jahre, ein PMA eher 1,5–2 Jahre. | Durch den Engpass bei den Benannten Stellen dauern die Verfahren meist deutlich über ein Jahr. |
Welche behördlichen Kosten fallen dabei typischerweise an? | Die Kosten hängen vom Zulassungsverfahren ab und liegen zwischen ca. 20.000 USD (510(k)) und 440.000 USD (PMA). Für “small businesses” gewährt die FDA eine Reduzierung der Gebühren um 75 %. | Die Kosten für die Benannten Stellen hängen stark von der Größe der Organisation und Art der Produkte ab. Sie liegen zwischen 30.000 EUR und 100.000 EUR. |
Beachten Sie die Informationen zu den Zulassungen in anderen Ländern:
- Brasilien und INMETRO
- China
- Großbritannien, Brexit
- Japan
- Russland und die eurasische Föderation
- Saudi-Arabien
- Schweiz
- Türkei
3. Zulassung von Medizinprodukten in Europa
Eine Zulassung von Medizinprodukten in Europa im Sinne eines behördlichen Erlaubnisvorbehalts gibt es nicht. Vielmehr erklären die Hersteller selbst die Konformität mit den gesetzlichen Anforderungen, nachdem sie ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben. Abhängig von der Klasse des Produkts müssen sie dabei eine Benannte Stelle einbeziehen.
Ist (bei unkritischen Produkten) keine Beteiligung einer Benannten Stelle vorgeschrieben, empfinden manche Hersteller das so, als sei keine „Zulassung“ notwendig. Allerdings gelten die meisten Pflichten unabhängig von der Risikoklasse des Produkts, beispielsweise:
- Nachweis der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen in der Technischen Dokumentation
- Nachweis des Nutzen-Risiko-Verhältnisses in der klinischen Bewertung
- Post-Market-Surveillance
- Vollständiges Qualitätsmanagementsystem des Herstellers
- Registrierung von Produkt und Hersteller in der EUDAMED
Diese Nachweise können Behörden einfordern, auch nach der Inverkehrbringung des Produkts.
Eine kompakte Einführung verschafft der Beitrag In 7 Schritten zum Medizinprodukt. Das Starter-Kit unterstützt insbesondere Neulingen beim Einstieg.
4. Zulassung von Medizinprodukten in den USA
Die USA unterscheiden verschiedene „Zulassungsverfahren“ wie 510(k), De Novo, HDE, Breakthrough, IDE und PMA.
Streng genommen zählt nur das PMA (Pre-Market Approval) als Zulassung im engeren Sinn. Beim 510(k)-Verfahren, der Pre-Market Notification, spricht man hingegen von einer Clearance durch die FDA.
Beachten Sie die Fachartikel zur Zulassung von Medizinprodukten in den USA und zum 510(k)-Verfahren.
Bei unkritischen Medizinprodukten erlaubt die FDA die Vermarktung ohne eine „Zulassung“. Sie besteht aber bei allen Produkten auf einer Registrierung der Hersteller und der Produkte in ihrer Datenbank.
5. Fazit und Zusammenfassung
Völlig unabhängig davon, ob der Begriff „Zulassung“ korrekt ist: Die Hersteller müssen umfangreiche Anforderungen und Voraussetzungen erfüllen, bevor sie ihre Produkte vermarkten dürfen.
Diese Anforderungen sind weltweit vergleichbar. Hingegen unterscheiden sich die verschiedenen Märkte dahingehend, ob Behörden eine explizite Erlaubnis für die Vermarktung geben müssen. Nur wenn es solch einer behördlichen Erlaubnis bedarf, kann man streng genommen von einer Zulassung sprechen.
Wenn Sie Ihre Medizinprodukte schnell und sicher durch die Zulassung und in einen oder mehrere Märkte bringen wollen, dann melden Sie sich. Die Expertinnen und Experten des Johner Instituts stellen sicher, dass Ihnen das in kurzer Zeit und mit minimalen Aufwänden gelingt.
Änderungshistorie
- 2023-06-01: Artikel vollständig überarbeitet
- 2015-09-03: Erste Version des Artikels publiziert
Sehr geehrter Herr Prof. Johner,
ich habe eine allgemeine Frage bzgl. Zulassungen von Medizinprodukten.
Wie sieht es mit Zulassungen in Drittländern aus? Hätten Sie da evtl. einen Tipp für mich, an wen ich mich wenden könnte, um Informationen zu bekommen, was den Zulassungsprozess angeht und welche Dokumente dafür benötigt werden usw.
Speziell geht es hierbei um die Zulassung eines 2b Medizinproduktes in Bolivien.
Für jeden noch so kleinen Tipp wäre ich äußerst dankbar.
Herzliche Grüße
Dorothea Bovenschen
Junior Quality Manager bei Celsius 42
02403 78 29 247
Liebe Frau Bovenschen,
danke für Ihre spannende Frage!
Generell hat jedes Land seine eigene Regelungen. Daher sind allgemeine Aussagen etwas schwierig. Viele Länder akzeptieren sogenannte Free Sales Certifikats aus Deutschland.
Ich bitte meinen Kollegen Luca Salvatore, Ihnen zum Thema Bolivien weiterzuhelfen. Er ist unser Experte für internationale Zulassungen.
Der Ball liegt also bei uns.
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrte Damen / Herren von Johner,
wir möchten unsere Inhalationsmaske für Pferde entsprechend der FDA Regularien nach Saudi Arabien Exportieren, Können Sie uns bei der Dokumentation unterstützen.
Lieber Herr Kern,
Produkte für Tiere gelten in Saudi Arabien nicht als Medizinprodukte.
Sie müssen zwar bei der SFDA registriert werden. Der Registrierungsprozess verläuft in der Regel unter den pharmazeutischen Anforderungen und nicht gemäß den Anforderungen für Medizinprodukte.
Unsere Kompetenzen liegen im Bereich der Medizinprodukte, so dass wir Sie hier leider nicht unterstützen können.
Herzliche Grüße,
Margret Seidenfaden
Liebes Johner-Team,
wie ist die regulatorische bzw. formalrechtliche Situation für die Belieferung von Medizinprodukten an eine US Air-Base in Deutschland. Gilt in diesem Fall US oder EU-Recht zur Bereitstellung von Medizinprodukten?
Ist in diesem Fall eine FDA-Zulassung bzw. deren Anforderung des Produktes erfoderlich oder gemäß MDR bzw. MDD ausreichend?
Vielen Dank!
Guten Tag Christian,
vielen Dank für die spannende Frage. Die Antwort kann ich leider nur vermuten. Zum rechtlichen Status von ausländischen Militärliegenschaften konnten wir folgende Veröffentlichung finden: https://www.bundestag.de/resource/blob/531932/f011954610186c3edadc3cf94c6f1e86/wd-2-086-17-pdf-data.pdf
Dort heißt es: Ausländische Militärliegenschaften in Deutschland sind kein „extraterritoriales“ Gebiet des Entsendestaates. Die Militärbasis Ramstein liegt auf deutschem Hoheitsgebiet, d.h. als Konsequenz aus dem Territorialitätsprinzip ist deutsches Recht anwendbar. 8 Durch Art. 53 Abs. 1 Satz 2 ZA-NTS ist ausdrücklich sichergestellt, dass auch innerhalb der den Stationierungsstreitkräften zur Benutzung überlassenen Liegenschaften deutsches Recht gilt, welches ausländische Truppen in Deutschland zu beachten haben. Die amerikanischen Streitkräfte sind folglich etwa an das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz gebunden. […]
Ausländische Militärbasen genießen jedoch ebenso wie diplomatische Missionen (Botschaften) gewisse Vorrechte, steuerliche Befreiungen und Immunitäten, welche die Gebietshoheit des Empfangsstaates funktional einschränken. In diesem Zusammenhang bedeutet Immunität die Freistellung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates. Da sowohl das Gelände als auch die Räumlichkeiten des Militärstützpunktes unverletzlich sind, ist ein Zugriff durch örtliche Behörden grundsätzlich nicht möglich. Weder Strafverfolgungs- noch sonstige Behörden können sich ohne die vorherige Zustimmung der amerikanischen Behörden Zutritt zu dem Stützpunkt verschaffen. Auch die Angehörigen der ausländischen Streitkräfte genießen Immunität.
Wir würden entsprechend vermuten, dass generell EU-Recht gilt, solange eine Inbetriebnahme in der EU erfolgen soll.
Allerdings könnte es sein, dass das US Militär zusätzliche Anforderungen stellt, wie z.B. eine FDA-Zulassung/Clearance. Dies sollten Sie unbedingt mit der US Air-Base klären.
Freundliche Grüße
Luca Salvatore
Sehr geehrter Herr Johner,
wie sieht eine Zulassung von Wellnessprodukten (geringes Risiko, aktives Produkt) in den USA aus? Macht eine Wellnesszulassung Sinn bei einem Klasse I Produkt (FDA-Klassifizierung)? Ist die Wellnesszulassung weniger aufwendig als eine Medizinproduktezulassung?
Herzlichen Dank vorab,
A. Unterkreuter
Sehr geehrte Frau Unterkreuter,
für Wellness-Produkte (im Gegensatz zu Medizinprodukten) gibt es in den USA kein eigenes Zulassungsverfahren. D.h. die Produkte können ohne FDA-Zulassung auf den Markt gebracht werden. Schauen Sie am besten in das entsprechende FDA-Guidance Dokument: https://www.fda.gov/media/90652/download Damit können Sie ermitteln, ob Ihr Produkt als low-risk wellness device qualifiziert werden kann.
Freundliche Grüße
Luca Salvatore