In-vitro-Diagnostika IVD sind Medizinprodukte, typischerweise Reagenzien, Kits oder Laborgeräte, mit denen Proben analysiert werden, die aus dem menschlichen Körper stammen. Auch standalone Software kann als IVD zählen.
Bei der „Zulassung von IVDs“ müssen die Hersteller viele Verordnungen, Gesetze und Normen beachten.
Der Schlagwortartikel zu den IVD enthält die Definitionen der EU und der FDA, welche Produkte als In-vitro-Diagnostikum zählen und als solches zugelassen werden müssen. Der Artikel verschafft auch einen Überblick über die regulatorischen Anforderungen an IVDs.
Ein weiterer Artikel beschreibt die 7 Schritte zum Medizinprodukt / IVD. Lesen Sie diesen Artikel zuerst.
Beachten Sie auch den folgenden Podcast. Darin berichtet Andreas Kalchschmidt-Lehmann (Molekularbiologe und ehemaliger Mitarbeiter einer Benannten Stelle) über die Hürden, an denen IVD-Hersteller regelmäßig scheitern. Und er gibt Tipps, um diese zu meistern.
1. Spezielle Anforderungen an die Zulassung von IVDs

Die EU-Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika (IVDD) wurde durch die „Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission“ – kurz IVDR – abgelöst.
Lesen Sie mehr zur EU-Verordnung im Fachartikel zur IVDR.
Besonders schnell navigieren Sie in dieser Version der IVDR.
Falls Sie Ihr Produkt noch unter der In-vitro-Diagnostik-Richtlinie, der IVDD, in den Verkehr gebracht haben, sind die IVDR-Übergangsfristen für Sie relevant.
Zusätzlich zu den hier genannten Anforderungen der IVDR müssen IVD-Hersteller und Gesundheitseinrichtungen, wie medizinische Labore, weitere regulatorische Anforderungen beachten.
a) Anforderungen an IVD-Hersteller
EU-Richtlinien und EU-Verordnungen
Neben der IVD-Verordnung (IVDR) existieren weitere ggf. relevante europäische Richtlinien:
- 2001/65/EU (Restriction of certain hazard substances RoHS) zur Vermeidung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten
- 2002/96/EG bzw. das implementierende Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) über den Umgang mit Elektroschrott
- 1999/5/EG (radio equipment and telecommunications terminal equipment RTTE) zu Funkanlagen und Telekommunikation, die sich explizit auch bei Medizinprodukten anzuwenden ist. Die Nachfolge-Verordnung ist die 2014/53/EU.
Hingegen finden bei IVD keine Anwendung:
- 2006/95/EG: Niederspannungsrichtlinie
- 2014/42/EG
- EU-Verordnung 1907/2006 zu Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH).
Sonderfall 2006/42/EG: Maschinenrichtlinie
Einige IVD haben bewegliche Teile, die die Anwender verletzen können, wenn es keine Schutzvorrichtungen gibt. Beispielsweise verfügen manche Laborautomaten über „Greifarme“. Vorgaben zu solchen Produkten formuliert die Maschinenrichtlinie.
Für Hersteller stellt sich die Frage, ob die IVDR oder die Maschinenrichtlinie anzuwenden ist oder beides. Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG schreibt dazu in Artikel 3:
„Werden die in Anhang I genannten, von einer Maschine ausgehenden Gefährdungen ganz oder teilweise von anderen Gemeinschaftsrichtlinien genauer erfasst, so gilt diese Richtlinie für diese Maschine und diese Gefährdungen nicht bzw. ab dem Beginn der Anwendung dieser anderen Richtlinien nicht mehr.“
D.h. wenn die IVDR die Anforderungen genauer als die Maschinenrichtlinie formuliert, ist für diese Anforderungen (nur) die IVDR zu berücksichtigen, für die anderen Anforderungen zusätzlich zur IVDR auch die Maschinenrichtlinie.
Erstellen Sie eine Tabelle, deren erste Spalte die „Vereinigungsmenge“ der Anforderungen der IVDR und Maschinenrichtlinien enthält. In der zweiten Spalte notieren Sie, ob Sie die Anforderungen überhaupt betreffen und falls ja, welche der beiden Richtlinien die spezifischeren Vorgaben enthält. In der dritten Spalte notieren Sie die Referenz auf die Umsetzung (z.B. eine Produktanforderung) bzw. deren Verifizierung.
Wenn Sie unsicher sind, dann sprechen Sie sich mit Ihrer benannten Stelle ab oder fragen Sie uns.
b) Anforderungen an die Betreiber / Labore
Die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiliBÄK) wendet sich nicht an die Hersteller, sondern an die Betreiber von IVD.
Labore sollten darauf achten, dass sie nicht selbst zum Hersteller werden.
Lesen Sie dazu die Hinweise zu den Lab Developed Tests (LDT).
2. „Zulassung von IVD“ in Europa
a) Produkt klassifizieren
Die IVDR unterscheidet vier Klassen von IVD (A, B, C, D): Die Produkte mit dem geringsten Risiko fallen in die Klasse A, die mit dem höchsten Risiko in die Klasse D.
Dieser Artikel beschreibt, wie IVD-Hersteller ihre Produkte zu klassifizieren haben.
Ein weiterer Artikel geht auf die Besonderheiten der Klassifizierung von IVD-Software ein.
b) Konformitätsbewertungsverfahren auswählen
Die IVDR beschreibt in den Anhängen IX, X und XI die Konformitätsbewertungsverfahren, welche die Hersteller abhängig von der Klasse des Produkts wählen dürfen.

Unabhängig von der Klasse und dem Konformitätsbewertungsverfahren müssen sie immer die grundlegenden Anforderungen des Anhangs I erfüllen und eine Technische Dokumentation konform den Anhängen II und III verfassen.
c) Allgemeine Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachweisen
Hersteller weisen meist mit harmonisierten Normen die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen (Anhang I) nach. Für die in-vitro-Diagnostika sind besonders relevante Normen:
- ISO 13485:2016: Qualitätsmanagementsysteme
- ISO 14971: Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte
- IEC 61010-1, IEC 61010-2-101, IEC 61326-1, IEC 61326-2-6 (medizinische IVD-Geräte): Ohne Anwendungsteil ist diese Norm anzuwenden.
- ISO 11073: Datenübertragung von Point of Care Devices (nicht harmonisiert)
- IEC 62366-1: Gebrauchstauglichkeit
- IEC 62304: Software
- IEC 61310-1: Alarme
- ISO 18113: Chemische, biologische oder immunologische Bestandteile, Lösungen und Zubereitungen, die vom Hersteller zur Verwendung als IVD vorgesehen sind
- ISO 23640: Haltbarkeitsprüfung von Reagenzien für in-vitro-diagnostische Untersuchungen
- EN 13641: Anforderungen an die Spezifikation von rohmaterialien, das Herstellungsverfahren und die Hertsellerinformation
- EN 14254: Anforderungen für Werkstoffe, Nennfüllmenge, Graduierung, Gestaltung, Ausführung, Sterilität, Additive und Informationen durch den Hersteller von Probengefäßen zur einmaligen Verwendung
- EN 14820: dto, für venöses Blut
- Normen mit Bezug zur Sterilität: EN 556 (Teil 1 und 2), ISO 11737 (Teil 2), ISO 13408 (Teile 1 bis 6) und ISO 14937.
- ISO 10993: Biokompatibilitiät. Da die IVDD keine entsprechenden Anforderungen stellt, findet diese Norm keine Anwendung.
- ISO 18113 (Teile 1 bis 5): Anforderungen an die bereitzustellenden Informationen (Symbole, Gebrauchsanweisung, Etikettierung usw.)
Zudem gibt es zahlreiche produktspezifische Normen wie die ISO 15197 für Blutzuckermessgeräte.
Lesen Sie hier mehr zum Thema Verifizierung und Validierung von IVD
3. Fazit und Zusammenfassung
In Europa verläuft die Zulassung von IVD sehr vergleichbar mit der Zulassung der anderen Medizinprodukte.
Für den Erfolg der In-vitro Diagnostika-Hersteller ist eine präzise Zulassungsstrategie entscheidend. Sie sollte Antworten auf Fragen liefern wie:
- Wie sollte man die Gesamtlösung aufteilen in IVD, Zubehör und Nicht-IVD, um eine möglichst einfache „Zulassung“ eine möglichst hohe Flexibilität beim Einsatz und der Weiterentwicklung zu erreichen?
- In welche Klassen fallen die IVDs und das Zubehör?
- Welche „Claims“ können und müssen dafür gestellt oder vermieden werden?
- Wie lassen sich diese Claims bei der Leistungsbewertung am schnellsten und sichersten nachweisen?
Melden Sie sich, wenn Sie die Unterstützung der IVD-Expertinnen und Experten des Johner Instituts beim Festlegen der Zulassungsstrategie wünschen
Änderungshistorie
- 2023-04-22: Artikel vollständig überarbeitet. Hinweise auf die IVDD entfernt
- 2020-09-11: Anforderungen der IVDR ergänzt
Hallo,
Ich gebe Ihnen mit Ihrer Aussage nur teilweise recht, denn auch bei IVDs kann ganz klar unterschieden werden, was Verifizierung und Validierung ist. Und – Es gibt auch IVDs die sowohl im Labor als auch im PoC (Point of Care)Bereich eingesetzt werden, sodass eine Validierung in beiden Bereichen notwendig ist. Unterschiedliche Benutzergruppen, Umbegungsbedingungen und deren Einfluss auf die Präanalytik etc.
LG
P.
Ich stimme Ihnen absolut zu. Das dachte ich gesagt zu haben.
Guten Tag Herr Johner und Mitarbeiter,
auf Ihrer überaus hilfreichen Website habe ich die Liste der relevanten Normen gefunden. Bei der Suche im Beuth-Verlag bezüglich EN 13460, Bestimmung der Haltbarkeit beim Transport und Gebrauch, wird DIN EN 13460, Instandhaltung – Dokumente für die Instandhaltung; Deutsche Fassung EN 13460:2009, angezeigt. Die Suche anhand des Titels ergibt zu viele Treffer. Können Sie mir bitte weiterhelfen?
MfG
I. Riele
Sieh haben einen Zahlendreher entdeckt, liebe Frau Riele.
Es hätte EN 13640 nicht EN 13460 heißen müssen. Bitte verzeihen Sie.
Danke für Ihren Hinweis!
Beste Grüße, Christian Johner
Sehr geehrter Prof. Johner,
Sie schreiben in Ihrem überaus informativem Artikel, dass die Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) nicht für IVD anwendbar sei.
Da wir uns die Frage nach der Gültigkeit dieser Maschinenrichtlinie für IVD auch immer wieder stets aufs Neue (und stets mit unterschiedlichem Ergebnis) stellen, möchte ich Sie nach der Grundlage / Begründung dieser Aussage fragen. Denn auch unsere benannte Stelle kommt regelmäßig mit Anforderungen der Maschinenrichtlinie bei unseren IVD Geräten daher und fordert deren Einhaltung (bzw. gleichwertiger Alternativen), und unser Bemühen die Anwendbarkeit der Maschinenrichtlinie auf IVD Geräte wegzudiskutieren sind häufig genug gescheitert. Wenn Sie eine wasserdichte und nachvollziehbare Argumentation bieten könnten, wäre das eine sehr sehr große Hilfe!
Zwischen 1998 und 2006 herrschte Klarheit über die Anwendbarkeit der Maschinenrichtlinie, denn in der alten Fassung (98/37/EG) wurden Medizinprodukte (und damit auch IVD) generell vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen. Dieser Hinweis auf diese Ausnahme der Maschinenrichtlinie steht auch bis heute in der „alten“ aber immer noch gültigen IVD-Richtlinie 98/79EG, und vielleicht ist es diese historische Gegebenheit, die heute für so viel Verwirrung sorgt?!
Mit der „neuen“ Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ist diese Ausnahme der Medizinprodukte vom Anwendungsbereich leider ersatzlos gestrichen worden.
Unsere IVD-Geräte fallen leider recht eindeutig in die Definition einer „Maschine“ laut 2006/42/EG und passen in keine Kategorie der gelisteten Ausnahmen vom Anwendungsbereich (wie Waffen oder Fortbewegungsmittel für Künstler).
Als einziger Rettungsanker verbleibt damit Artikel 3:
„Spezielle Richtlinien
Werden die in Anhang I genannten, von einer Maschine ausgehenden Gefährdungen ganz oder teilweise von anderen Gemeinschaftsrichtlinien genauer erfasst, so gilt diese Richtlinie für diese Maschine und diese Gefährdungen nicht bzw. ab dem Beginn der Anwendung dieser anderen Richtlinien nicht mehr.“
Nun äußern sich sowohl die alte IVD-Richtlinie 98/79/EG als auch die neue IVDR-Richtlinie (Pendant zur MDR) durchaus auch zu mechanischen Gefährdungen. Ob sie diese aber auch wie in Artikel 3 gefordert „genauer erfasst“ lässt sich schon anhand eines rein quantitativen Vergleichs der entsprechenden Passagen doch stark bezweifeln?!
Zudem verstehe ich den letzten Teilsatz von Artikel 3 so, dass nur diejenigen Gefährdungen vom Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie ausgenommen sind, denen sich die alternative Gemeinschaftsrichtlinie (hier: IVD / IVDR) genauer annimmt – damit gelten aber alle anderen Passagen / Gefährdungen der Maschinenrichtlinie dennoch?
In sehr gespannter Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich
mit besten Grüßen,
Martin Schroeder
Guten Tag,
erst einmal vielen Dank für die immer wieder hilfreichen und interessanten Beiträge auf ihrer Website.
Auf der Suche nach etwas ganz anderem bin ich auf eine von ihnen dargestellte Übersicht relevanter Normen für IVD gestoßen. Der Beitrag ist aus 2018.
Bei der Suche nach der Norm bin ich anstatt der ISO 13640 eher auf die ISO 23640 gestoßen, auch fehlt mir hier die ISO 14971. Sehe ich das richtig?
Nun wollte ich nachfragen, ob sie evtl. die Übersicht aktualisieren könnten. Das wäre ungemein hilfreich.
Vielen Dank.
A. Plietz
Liebe Frau Plietz, Vielen Dank, dass Sie uns darauf aufmerksam gemacht haben. Die Liste habe ich umgehend in Bezug auf die von Ihnen genannten Normen aktualisiert. Die aktuell mit der IVD-Richtlinie harmonisierten Normen finden Sie hier: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020D0439&from=DE. Beste Grüße, Sebastian Grömminger
Vielen Dank Herr Grömminger.
VG
A. Plietz
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne möchte ich einen bereits beim BFARM registrierten IVD Corona Test in Deutschland an Krankenhäuser vertreiben.
Ich habe direkten Kontakt zum Hersteller nach China, nicht jedoch zum eingetragenen Vertreiber (dieser hat keine Exklusivrechte).
Kann ich die Tests als natürliche Person vertreiben ohne hier massive Risiken einzugehen?
Gerne möchte ich hier ein Beratungsgespräch mit Ihnen führen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Prunkl
Lieber Herr Prunkel, Sie kommen damit in die Rolle des Importeurs und des Händlers. Dies hat eine gewisse Tragweite.
Ihre Anfrage habe ich an das IVD-Team weitergereicht. Wir melden uns bei Ihnen. Ihre personenbezogenen Daten habe ich aus dem Blog entfernt um den Datenschutz sicherzustellen.
Beste Grüße, Sebastian Grömminger
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir sind eine Firma mit Sitz in der Schweiz. Wir haben Covid-19 PCR und Antigentests, welche wir in der Schweiz vertreiben. Nun möchten wir gerne Wissen, wie wir vorgehen müssen um diese Tests als Schweizer Unternehmer in Deutschland vertreiben zu können. Können Sie uns evt. mitteilen, was alles dafür benötigt wird?
Besten Dank.
Mit freundlichen Grüßen,
M. Akkad
Lieber Herr Akkad,
vielen Dank für diese äußerst relevante Frage!
Für die Einfuhr des Tests in Deutschland muss gemäß Medizinproduktegesetz eine CE-Markierung auf dem Produkt angebracht sein und eine Konformitätserklärung gemäß Anhang III der IVD Richtlinie 98/79/EG vorliegen. Das sollte auch schon für die Schweiz zutreffen. Beachten Sie nun aber unbedingt, dass es einen EU-Repräsentanten (EC-REP) geben muss, der auf dem Produktlabel und in der Konformitätserklärung ausgewiesen sein muss, wenn der Hersteller seinen Sitz außerhalb der EU hat. Ansonsten übernimmt automatisch der Importeur (Einführer) die Haftung für das Produkt (siehe §5 MPG). Melden müssen Sie das Produkt bei DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information). Falls ein Swab mitgeliefert wird muss dieser allerdings konform zur MP-Richtlinie 93/42/EWG sein und braucht aufgrund des Sterilzustandes eine Benannte Stelle (CE-Zeichen mit 4-Stelliger Nummer der Benannten Stelle!).