Als Marktforschung bezeichnet man das systematische Sammeln und Bewerten von Marktdaten (z.B. Daten von Kunden und den Wettbewerbern) mit dem Ziel, die richtigen Entscheidungen zu treffen: bei der Entwicklung und Änderung von Produkten, bei Marketingmaßnahmen und vielem mehr.
Die Marktforschung hilft Unternehmen dabei,
- Marktchancen zu entdecken,
- Risiken und Fehlentscheidungen zu vermeiden und
- regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
Inhaltsübersicht |
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A) Adressaten » | B) Ablauf der Marktforschung » |
C) FAQ » | D) Vier Praxistipps » |
E) Medizinprodukte » |
F) Unterstützung » |
G) Fazit, Zusammenfassung » |
Das wird gelingen, wenn die Unternehmen
- die passenden Methoden der Marktforschung präzise im Produktlebenszyklus anwenden und
- die Marktforschung nicht nur als eine Aufgabe des Marketings verstehen.
Im Folgenden geben wir Ihnen Antworten auf die sechs häufigsten Fragen und vier Tipps, um mit Marktforschung Zeit und Geld zu sparen.
A) Adressaten: Wen die Marktforschung interessieren sollte
Die Marktforschung ist ein Instrument, um wichtige Fragen verschiedener Funktionen eines Unternehmens zu beantworten:
- EN: Entwicklung (inklusive Usability Engineering)
- PM: Produktmanagement (inklusive Requirements Engineering und Marketing)
- RA: Regulatory Affairs
- CA: Clinical Affairs
- GF: Geschäftsführung
1. Produktbezogene Fragestellungen
Viele Fragen beziehen sich auf die Produkte und Dienstleistungen.
Fragestellung | EN | PM | RA | CA | GF |
Wie arbeiten unsere Kunden mit unseren Produkten und Dienstleistungen? | X | X | X | ||
Was schätzen Sie daran und was nicht? | X | ||||
Welche Probleme treten auf? | X | X | X | X | X |
Wie vergleichen sich unsere Produkte und Dienstleistungen mit denen der Wettbewerber? | X | X | X | ||
Was müssten wir an bestehenden Produkten und Dienstleistungen ändern, um den Nutzen und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen? | X | X | X | ||
Welche Produkte und Dienstleistungen brauchen oder bräuchten meine Kunden, die wir nicht anbieten? | X | X | |||
Wie sollen wir unsere Produkte gestalten (Design)? | X | X | |||
Welche Produkte und Dienstleistungen sollten wir nicht mehr anbieten? | X | ||||
Welche Risiken ergeben sich durch unser Produkt? | X | X | X | X | X |
2. Marketingbezogene Fragestellungen
Weitere Fragen betreffen darüberhinausgehende Aspekte des Marketings:
Fragestellung | EN | PM | RA | CA | GF |
Welchen Preis können wir für unsere Produkte und Dienstleistungen verlangen? | X | X | |||
Welche Alternativen zu unseren Produkten und Dienstleistungen sehen unsere Kunden? | X | X | X | ||
Wer sind die Teilnehmer in unseren Märkten? | X | X | |||
Über welche Kanäle sollten wir am besten mit unseren Kunden kommunizieren? | X | ||||
Über welche Kanäle lassen sich unsere Produkte und Dienstleistungen am besten anbieten? | X | ||||
Wie wirksam sind unsere Marketingmaßnahmen? | X | ||||
Welche Marktanteile und Umsätze können wir erreichen? | X | X |
3. Allgemeine Fragestellungen
Selbst für die Firmensteuerung liefert die Marktforschung wichtige Informationen.
Fragestellung | EN | PM | RA | CA | GF |
Mit welcher Priorität und in welcher Reihenfolge sollten wir Maßnahmen (z.B. bezüglich Produkte und Marketing) ergreifen? | X | X | X | X | X |
Welche Risiken bestehen für unsere Firma? | X |
B) Wie die Marktforschung ablaufen sollte
Definitionsgemäß (s. z.B. Marketingmanagement von Christian Homburg (2017), S. 250) versteht man unter Marktforschung „die systematische Sammlung, Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Daten über Märkte (Kunden und Wettbewerber) zum Zweck der Fundierung von Marketingentscheidungen“. Die Marktforschung beantwortet Fragen, sie trifft aber keine Entscheidungen und setzt keine Maßnahmen um (s. Abb. 1).
Bei all diesen Schritten sollten die passenden Methoden ausgewählt werden. Diese Auswahl hängt allerdings von der Fragestellung und der Zielsetzung ab (s. Abb. 2).
1. Schritt: Fragestellung formulieren, Problem definieren
Entscheidend für den Erfolg der Marktforschung ist die präzise Formulierung der Fragestellung. Man spricht oft von dem zu lösenden Entscheidungsproblem. Aus diesem Entscheidungsproblem lassen sich meist ein oder mehrere Untersuchungsprobleme ableiten, die noch spezifischer sind als die Fragestellung des übergeordneten Entscheidungsproblems.
Entscheidungsproblem | Untersuchungsproblem |
Welches Produkt sollten wir entwickeln? | Was sind die Anforderungen der potenziellen Stakeholder? |
Wie soll das Design des neuen Produkts beschaffen sein? | Welcher von mehreren Designvorschlägen ist der beste? |
Wie können wir ein bestehendes Produkt verbessern? | Welche Gebrauchstauglichkeitsprobleme bestehen? Wie vergleichen unsere Kunden unser Produkt mit Wettbewerbsprodukten? |
2. Schritt: Studiendesign bestimmen
Abhängig von der Fragestellung gilt es, das passende Studiendesign zu wählen. Studien lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren (s. Abb. 3).
Zeitlicher Aspekt
Bei der Querschnittsforschung würde man die Methoden anwenden, um Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt erheben und analysieren zu können.
Hingeben hat die Längsschnittforschung das Ziel, Änderungen über einen Zeitraum hinweg zu beobachten. Bei der Längsschnittforschung werden Methoden häufig wiederholt angewendet, z.B. Befragungen mehrfach durchgeführt.
Quantitative und qualitative Erhebungen
Viele Studien kombinieren Methoden zur quantitativen und qualitativen Erhebung. Beispiele für quantitative Methoden sind:
- Online-Fragebögen mit Likert-Skala
- Messung der Nutzungsfehler und der Zeit zum Bearbeiten von Aufgaben bei Usability-Tests
Zu den qualitativen Methoden zählen Interviews und Kontextanalysen.
Primärforschung versus Sekundärforschung
Ob es sich um Primär- und Sekundärforschung handelt, beantwortet die Frage, ob das Untersuchungsziel durch die Analyse früherer gesammelter Daten erreicht werden kann (Sekundärforschung). Falls dies nicht möglich ist, wird eine neue Datenerhebung notwendig (Primärforschung).
Die oben genannten Methoden dienen der Erhebung neuer Daten, d.h. der Primärforschung.
Explorative, deskriptive und kausale Studien
Schließlich lässt sich die Art der Studien unterscheiden:
Art der Fragestellung | Art der Studie | Beispiel |
Beantworten von neuen Forschungsfragen | Explorative Studie | Was sind die Stakeholder-Anforderungen der Pflegekräfte beim Dokumentieren von Arzneimittel-Komplikationen? |
Beschreibung von existierenden Sachverhalten | Deskriptive Studie | Wie dokumentieren Pflegekräfte momentan Arzneimittel-Komplikationen? |
Ermittlung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen | Kausale Studie | Wie wirkt sich das Training von Pflegekräften auf die korrekte Dokumentation von Arzneimittel-Komplikationen aus? |
Kommunikationsform
Neben den persönlichen Begegnungen (Beobachtung, Befragung) hat die online-basierte Marktforschung an Bedeutung gewonnen. Beispiele sind:
- Online-Befragungen: Die klassischen „Surveys“ mit Fragebögen lassen sich schnell auswerten. Die Validierung ist jedoch aufwändiger und die Einsatzgebiete sind begrenzt.
- Online- und Webcam-Interviews: Auf einer Echtzeit-Plattform kommen der Moderator und ein oder mehrere Teilnehmer online zusammen. Bei der 1:1-Kommunikation wird der Interviewpartner gefragt, was oder wie er oder sie z.B. über einen Aspekt des Produkts denkt. Der Moderator lernt dabei Perspektive, Motive und Erfahrungen der Teilnehmer kennen, ebenso die von ihnen benutzte Sprache. Die Plattformen eignen sich auch für die 1:n-Kommunikation, z.B. mit Fokusgruppen.
- Online-Fokusgruppen:
- Chat-basiert: Diese Option bietet sich an, wenn Einfachheit und Unmittelbarkeit eine hohe Priorität haben. Die technischen Anforderungen sind relativ niedrig. 90 Minuten Zeit oder weniger reichen meist aus.
- Webcam-basiert: Echtzeit-Plattformen, auf denen der Moderator und die Teilnehmer online zusammenkommen. Die Sitzungen dauern oft zwischen 1,5 und 2 Stunden und der Moderator kann sehen und hören, was die Teilnehmer sagen.
- Remote-Usability-Tests: Tests, bei denen die Teilnehmer zuhause oder am Arbeitsplatz mit Produkten arbeiten und vom Testleiter remote beobachtet und befragt werden. Remote-Usability-Tests können in zwei Kategorien eingeteilt werden:
- Moderiert: ermöglichen eine Interaktion zwischen Teilnehmer und Moderator, da beide gleichzeitig online sind. Die Moderatoren können Fragen zur Klärung stellen oder sich nach Abschluss der Aufgaben durch zusätzliche Fragen das Thema vertiefen.
- Unmoderiert: Tests werden vom Teilnehmer allein durchgeführt, d.h. es gibt keine Echtzeit-Interaktion. Einige Tools für Remote-Studien erlauben es allerdings, vordefinierte Folgefragen in die Studie einzubauen, die nach jeder Aufgabe oder am Ende der Sitzung eingeblendet werden können.
3. Schritt: Methoden auswählen und entwickeln
Die Methode muss zur Frage passen
Die Methoden müssen geeignet sein, um die spezifischen Fragestellungen zu beantworten und insbesondere das Untersuchungsproblem zu lösen.
Untersuchungsproblem | Mögliche Methoden |
Was sind die Anforderungen der potenziellen Stakeholder? | Kontextanalysen, Befragungen |
Welcher von mehreren Designvorschlägen ist der beste? | A-/B-Tests, Benchmark-Tests |
Welche Gebrauchstauglichkeitsprobleme bestehen? Wie vergleichen unsere Kunden unser Produkt mit Wettbewerbsprodukten? | Teilnehmende und nichtteilnehmende Beobachtung |
Beispiele für Methoden
Die Marktforschung nutzt eine so große Vielzahl an Methoden, dass diese sich hier nicht umfassend darstellen lassen. Die folgenden Methoden haben sich beim Johner Institut bei Projekten mit Medizinprodukteherstellern bewährt:
- Kontextanalysen
- Gruppendiskussionen
- Tiefeninterviews
- Fallstudien
- Ethnografische Marktforschung
- Quantitative Online-Befragungen, z.B. mit Single- und Multi-Item-Skalen
- Qualitative mündliche Befragungen, z.B. anhand von Leitfragen (strukturierte Interviews)
- Quantitative und qualitative schriftliche Befragungen mit Fragebögen
- Teilnehmende und nichtteilnehmende Beobachtungen (inklusive Usability-Tests)
- A/B-Tests
- Benchmark-Tests
Methoden entwickeln
Zur Methodenentwicklung zählen beispielsweise:
- Auswahl der Messinstrumente wie Likert-Skalen
- Gestaltung und Validierung der Fragebögen
- Erstellen von „Recruiting Screenern“
4. Schritt: Daten sammeln, aufbereiten, analysieren
Datensammlung: Die Phase, in der die meisten Ressourcen wie Personal, Zeit und Budget benötigt werden. Bei der Datenerhebung ist es wichtig, dass die Personen, welche die Datenerhebung durchführen, ausreichend ausgebildet sind.
Datenanalyse: Hierbei kommen meist statistische Verfahren zu Einsatz, um Daten zu verdichten und Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen. Folgende Verfahren werden häufig angewandt:
- Deskriptive Verfahren wie statistische Maßzahlen und Häufigkeitstabellen
- Schätzungen und statistische Tests
- Multivariate Verfahren
5. Schritt: Daten interpretieren, Fragen beantworten
Das Resultat des 4. Schritts sind die „nackten“ Ergebnisse. Nun gilt es, aus diesen Ergebnissen Schlussfolgerungen zu ziehen und die Ausgangsfrage zu beantworten. Dabei sollten die Verantwortlichen auch Schwächen diskutieren, die z.B. bedingt sind durch:
- Art der Fragestellung
- Wahl des Studiendesigns und der Methoden
- Durchführung der Studie (inklusive Sammlung, Aufbereitung und Analyse der Daten)
6. Schritt: Erstellung des Berichts
Der letzte Schritt der Marktforschung besteht im Schreiben eines Berichts, der die wesentlichen Ergebnisse zusammenfasst und Handlungsempfehlungen nennt.
Ab jetzt ist es die Aufgabe anderer, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen umzusetzen (s. Abb. 2).
C) Häufig gestellte Fragen zur Marktforschung
1. Wie viele Probanden bzw. Befragte benötigt man für eine Marktforschungsstudie?
Für einfache explorative Studien können bereits fünf Probanden zu aussagekräftigen Ergebnissen führen. Bei quantitativen Erhebungen bedarf es meist einer wesentlich höheren Fallzahl.
Generell hängt die Anzahl der Probanden von verschiedenen Faktoren ab, z.B.:
- Fragestellung, Untersuchungsproblem
- Wahl der Methode
- Anspruch auf Genauigkeit
2. Was kostet eine Studie?
Bereits durch die Investition vierstelliger Summen erzielen Unternehmen wichtige Erkenntnisse. Natürlich gibt es Fragestellungen, die Aufwände im sechs- und siebenstelligen Bereich erfordern.
Aber Firmen sollten sich bewusst sein, dass eine höhere Stichprobenzahl (und damit ein höherer Kostenaufwand) zwar meist zu einem Mehr an Daten, aber nicht unbedingt zu einem Mehr an Erkenntnis führt.
3. Was sollte man outsourcen und was nicht?
Welche Aktivitäten Firmen outsourcen sollten, hängt von diesen Parametern ab:
- Eigene Kompetenz
- Verfügbarkeit von Ressourcen (Experten, Finanzen)
- Strategische Ausrichtung (soll eine Studie z.B. regelmäßig wiederholt werden?)
- Anzahl der Studien
Als Faustformel sollten Hersteller diese Tätigkeiten nicht outsourcen:
- Erarbeiten der Fragestellung
- Treffen von Entscheidungen
- Umsetzung von Maßnahmen
Hingegen hat es sich bewährt, bei diesen Tätigkeiten zumindest initial externe Hilfe hinzuzuziehen:
- Planung der Studie, Wahl der Methoden
- Rekrutierung von Probanden
- Sammlung, Auswertung und Analyse der Daten
4. Wer führt Marktforschung durch?
Im deutschsprachigen Raum gibt es die „Allround-Marktforschungsinstitute“. Das sind Unternehmen, die Untersuchungen mit verschiedenen Methoden (Umfragen, Produkttests etc.) zu einem weiten Spektrum von Produkten durchführen. „Allround“, weil diese Unternehmen nicht auf eine Branche spezialisiert sind.
Die größten Vertreter dieser Institute sind:
- GfK-Gruppe
- Kantar TNS
- Nielsen Company
- Ipsos-Gruppe
Neben den oben genannten „Allroundern“ gibt es auch spezialisierte Institute, die sich u.a. auf Medizinprodukte fokussiert haben – zum Beispiel das Johner Institut :-).
5. Auf was sollte man achten, wenn man Aufgaben an Dritte vergibt?
Wählen Sie Partner, die diese Kriterien erfüllen:
- Nachgewiesene Kompetenz in der Anwendung der Methoden für die Marktforschung
- Kenntnisse der regulatorischen Anforderungen (auch der jeweiligen Branche)
- Erfahrungen mit der Produktklasse und der Branche, u.a., um spezifische Probleme besser zu erkennen
- Bei Medizinprodukte- und Pharmaherstellern Zertifizierung z.B. nach ISO 13485, um Auditprobleme zu vermeiden (Stichpunkt: ausgelagerte Prozesse und Lieferantenlenkung)
6. Welche typischen Fehler treten auf?
- Es wird häufig am Entscheidungsproblem vorbei geforscht. Die Ergebnisse sind dann nicht nutzbar, um die Frage zu beantworten.
- Das eingesetzte Personal ist nicht ausreichend qualifiziert. Der Glaube, man könne alles selbst machen und die Tätigkeiten könne jeder durchführen, hat schon viele Studien scheitern lassen oder zu irreführenden Ergebnissen geführt.
- Die Stichprobenzahl wird zu klein gewählt und man vertraut auf nicht statistisch belastbare Zahlen.
- Selbst bei einer größeren Stichprobe wird diese nicht repräsentativ gewählt, z.B. weil man dem keine Beachtung schenkt, weil nicht ausreichend genau definiert wurde, was „repräsentativ“ bedeutet, oder weil man keine repräsentativen Probanden rekrutieren kann.
- Korrelationen werden mit Kausalitäten verwechselt. Entsprechend zieht man falsche Schlussfolgerungen.
D) Praxistipps für eine erfolgreiche Marktforschung
1. Beachten Sie die Gesetze
So banal es sich anhört: Recherchieren die gesetzliche Lage und beachten Sie diese.
Datenschutz
Die grundlegende gesetzliche Regelung zum Datenschutz sind die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das ergänzende Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).
Das Sammeln von Daten im Rahmen von Markt- und Meinungsumfragen ist nur dann zulässig, wenn die Umfrageteilnehmer gemäß Artikel 6 DSGVO vorher wirksam eingewilligt haben.
Das neue Bundesdatenschutzgesetz geht im Gegensatz zum alten (§30a) nur noch an einer Stelle explizit auf die Markt- und Meinungsforschung ein:
Verarbeiten sie [Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter] personenbezogene Daten geschäftsmäßig […] für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung, haben sie unabhängig von der Anzahl der mit der Verarbeitung beschäftigten Personen eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten zu benennen.
BDSG, Artikel 38
Das bedeutet, dass Sie immer einen Datenschutzbeauftragten benennen müssen, wenn Sie Markt- und Meinungsumfragen durchführen.
Unlauterer Wettbewerb
Auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen §7 „Unzumutbare Belästigung“ stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.
Medizinprodukterecht
Bei Medizinprodukteherstellern kann es einen Überlapp zwischen der Marktforschung und Aktivitäten geben, die durch das Medizinprodukterecht geregelt sind, z.B.:
- Pre-Market-Aktivitäten, insbesondere Produktentwicklung, z.B.
- Erheben von Stakeholder-Anforderungen
- Formative und summative Bewertung der Gebrauchstauglichkeit
- Klinische Prüfungen
- Post-Market-Aktivitäten
- Post-Market Surveillance
- Post-Market Clinical Follow-up
In diesen Fällen greifen die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen (MDR, IVDR, MPDG) sowie die normativen Anforderungen (z.B. IEC 62366-1, ISO 13485).
2. Achten Sie auf Objektivität
Beim eigenen Produkt fällt es besonders schwer, objektiv zu bleiben. Ein Marktforscher ist dazu da, eine möglichst unvoreingenommene Methodik und ein möglichst objektives Ergebnis zu gewährleisten, unabhängig von der Fragestellung oder dem Problem.
Es nützt nichts, eine Methodik zu wählen, die die gewünschten Ergebnisse liefert. Ein neutraler Experte beachtet:
- den Wortlaut jeder Frage und die Reihenfolge der Fragen, die in einem Interview gestellt werden
- die Zusammensetzung von Fokusgruppen und Probandenkollektiven
- die Interpretation und Bewertung von Ergebnissen, z.B. von Use Errors in Usability-Tests
Das Ziel sollte immer darin bestehen, neue Einsichten zu gewinnen und Antwort auf die Fragestellung zu erhalten. Man sollte die Marktforschung nicht missbrauchen, um bestehende Vorurteile zu bestätigen.
3. Sorgen Sie mit Incentives dafür, dass die Probenden erscheinen
Die Herausforderung bei der Marktforschung besteht nicht nur darin, die Probanden zu rekrutieren; vielmehr müssen diese zum ausgemachten Termin (z.B. zu einem Usability-Test oder zur Befragung einer Fokusgruppe) dann auch erscheinen.
Hier kommen Incentives ins Spiel. Geld scheint ein großer Anreiz zu sein. Der Betrag sollte der Zielgruppe sowie der Dauer der Sitzung angemessen sein.
Probanden sagen ihre Teilnahme zu einer Studie zu. Incentives sorgen dafür, dass sie auch kommen.
Eine Besonderheit im Medizinproduktebereich ist, dass viele Probanden motiviert sind, die Entwicklung von Medizinprodukten zu unterstützen und damit indirekt Patienten zu helfen.
4. Vermeiden Sie Gruppendynamik
Homogene Fokusgruppen schaffen einen „sicheren Raum“, in dem die Probanden bereit sind, ihre Gedanken und Gefühle äußern. Dadurch kann sich keine Gruppendynamik entwickeln, die evtl. die Ergebnisse verfälscht:
- Jüngere Probanden fühlen sich oft eingeschüchtert von erfahreneren, älteren Studienteilnehmern.
- Pflegekräfte haben das Gefühl, vor Ärzten nicht frei sprechen zu können.
Bei Usability-Tests, insbesondere bei der summativen Evaluation, ist es essenziell, dass die Tests mit einzelnen Probanden durchgeführt werden. So kann vermieden werden, dass sich Probanden gegenseitig beeinflussen und die Ergebnisse der Studie damit verfälscht werden.
E) Besonderheiten bei Medizinprodukteherstellern
Aktivitäten im Rahmen der Marktforschung können mit regulierten Aktivitäten überlappen. Das sollten Hersteller nutzen:
- Die formative Evaluation lässt sich mit Methoden der Marktforschung umsetzen. Die Auflistung der Methoden im TR IEC 62366-2 hat viele Gemeinsamkeiten mit der Liste der oben genannten Methoden.
- Auch der Usability-Test in Form einer teilnehmenden Beobachtung dient sowohl der Marktforschung als auch der summativen Evaluation.
- Marktforschung lässt sich perfekt mit dem Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) kombinieren: Die in der Marktforschung übliche Nachbeobachtung von Produkten führt zu zusätzlichen Daten über Leistung und Sicherheit von Produkten.
- Für die Erhebung von Stakeholder-Anforderungen (insbesondere „User Requirements“) empfiehlt das Johner Institut die Kontextmethode nach ISO 9241-110. Auch diese Methode zählt zum Arsenal der Marktforschung.
Medizinproduktehersteller sollten die Marktforschung nicht nur als ein Instrument des Produktmanagements und des Marketings verstehen. Vielmehr sollten Methoden aus der Marktforschung über den ganzen Produktlebenszyklus zur Anwendung kommen. Dabei sollten die Hersteller die regulatorischen Anforderungen beachten.
F) Unterstützung durch das Johner Institut
Das Johner Institut unterstützt Medizinproduktehersteller beim
- Formulieren der Fragestellung und dem Definieren des Entscheidungsproblems sowie
- Planen, Durchführen und Auswerten von Marktforschungsstudien.
Typische Aufgaben, die Hersteller an das Johner Institut outsourcen, liegen in folgenden Bereichen:
- Produktentwicklung
- Tatsächliche Benutzergruppe(n) sowie Nutzungskontexte identifizieren
- Nutzungs- und Stakeholder-Anforderungen identifizieren
- Entwicklungsbegleitende (formative) und abschließende (summative) Evaluationen durchführen
- Normen- und gesetzeskonforme Zulassungsakten erstellen
- Marktanalysen und Konkurrenzanalyse, Benchmarketing
Herausfinden,- welche vergleichbaren Produkte es im Markt gibt und welche Eigenschaften diese Produkte jeweils anbieten
- welche Eigenschaften der Produkte bei Anwendern gut oder weniger gut ankommen und welche Eigenschaften fehlen,
- wie sich das Produkt im Vergleich zu einem oder mehreren Konkurrenzprodukten schlägt. Dadurch zeigt sich z.B., wo das Produkt optimiert werden kann oder ob weitere Funktionen entwickelt werden sollten.
- Post-Market-Aktivitäten
- Produkt nach Inverkehrbringung im Markt beobachten (Post-Market Surveillance)
- Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) durchführen und klinische Bewertungen aktualisieren
Haben Sie spezielle Fragen zur Marktforschung? Möchten Sie wissen, wie Sie unnötige (regulatorische) Aufwände vermeiden und mit Ihren Produkten im Markt noch erfolgreicher sein können?
Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf.
G) Fazit und Zusammenfassung
Viele Firmen setzen die Marktforschung nur als Instrument des Marketings ein. Die Methoden der Marktforschung sollten sich aber alle Bereiche eines Unternehmens zunutze machen: von der Entwicklung über das Produktmanagement bis hin zu „Clinical Affairs“ und zur Geschäftsführung.
Eine präzise durchgeführte Marktforschung bietet viele Vorteile:
- Zeit und Geld sparen
Die Marktforschung hilft, Prioritäten richtig zu setzen, das beste Produktdesign zu finden und Fehlentwicklungen zu vermeiden. - Regulatorische Konformität erlangen
Methoden der Marktforschung und die formativen und summativen Bewertungen sowie die Kontextanalyse helfen nicht nur Geld zu sparen, sondern auch die regulatorischen Anforderungen direkt zu erfüllen. - Sichere Produkte herstellen
Gerade bei Medizinprodukten geht es nicht nur um den Markterfolg, sondern auch um die Sicherheit der Produkte für Patienten, Anwender und Dritte. Auch hier bietet die Marktforschung ein wirksames Arsenal an Methoden. Marktforschung in der Post-Market-Phase hilft, unsichere Produkte zeitnah zu identifizieren und zu verbessern. - Kundenzufriedenheit und Markterfolg erreichen
Das offensichtliche Ziel der Marktforschung liegt darin, im Markt erfolgreich zu sein: mit guten Produkten und einer wirksamen Kommunikation. - Geschäftsrisiken vermeiden
Wer seine Wettbewerber nicht kennt, geht unnötige Risiken ein. Marktforschung bietet einen systematischen Ansatz für die Wettbewerbsanalyse. Sie leistet aber mehr: Nur auf Grundlage belastbarer Daten können sicherere Entscheidungen getroffen und Fehlentscheidungen vermieden werden.
Die Vielfalt an Methoden ist wie ein Koffer voller Werkzeuge: Wenn man ihn nicht beherrscht, richtet man mehr Schaden als Nutzen an. Wer damit umzugehen weiß, wird seine Aufgaben leichter erledigen und von den oben genannten Vorteilen profitieren.
Hallo Herr Bader,
super Artikel! Vielen Dank dafür.
Speziell zur Fragestellung habe ich eine Frage:
Welches Produkt sollten wir entwickeln? Sie schreiben dort, dass die Stakeholder befragt werden sollten. Das könnten prinzipiell auch Kunden sein? Für ein aktuelles Projekt in einem Startup/kleinen Unternehmen stehen wir vor einer ähnlichen Herausforderung: Wie wäre es möglich, Befragungen in einer potenziellen Zielgruppe durchzuführen?
Es existieren nur wenig Kontakte in der Zielgruppe und das Budget ist recht klein – dennoch wäre Feedback von der Zielgruppe sicher wertvoll.
Lieber Herr Hammer,
vielen Dank für Ihren Kommentar!
Die Stakeholder können auch Kunden sein, meist sind das sogar einer der wichtigsten Stakeholder Gruppen.
Ich sehe zwei einfache und Kosteneffiziente Möglichkeiten, wie Sie mit relativ wenig Aufwand viel Input bekommen können:
1. Kontextinterviews mit ca. 5 Vertretern pro Benutzergruppe
2. Eine Fokusgruppe ebenfalls mit ca. 5 Vertretern pro Benutzergruppe
Beide Methoden sind schnell umzusetzen. Falls Sie selbst nicht an ausreichend Teilnehmer kommen, oder Unterstützung bei der Umsetzung benötigen, kontaktieren Sie uns gerne!
Beste Grüße,
Immanuel Bader