Die IEC 62304 ist eine in Europa harmonisierte1 Norm für „Medizingeräte-Software“. Sie trägt den Titel „Medizingeräte-Software – Software-Lebenszyklus-Prozesse“ und stellt Mindestanforderungen an Prozesse wie die Entwicklung und Wartung der Software.

Inhalt

Sie finden auf dieser Seite:

  1. Fachartikel zu den Aspekten der IEC 62304
  2. Fachartikel zu den Lebenszyklus-Aktivitäten
  3. Fachartikel zur regulatorischen Bedeutung der IEC 62304
  4. Hinweise, wo und wie Sie Hilfe bei der Umsetzung erhalten

1 Die IEC 62304 war unter der MDD und IVDD harmonisiert und ist unter der MDR und IVDR zur Harmonisierung vorgesehen.

1. Artikel zu Aspekten der IEC 62304

a) Anwendungsbereich

Die IEC 62304 ist anwendbar bei

Weil die IEC 82304-1 die Norm referenziert, ist die IEC 62304 sogar bei  Health Software relevant.

b) Regulatorischer Kontext

Qualifizierung und Klassifizierung

Beachten Sie auch die Fachartikel zu den Lebenszyklus-Aktivitäten unter Punkt 2.

Besondere Anforderungen an Software

c) Konzepte der Norm

2. Artikel zu den Lebenszyklus-Aktivitäten

Die folgenden Artikel sind nach den Kapiteln der IEC 62304 gruppiert.

Kapitel 5.1: Entwicklungsplan

Als Erstes verlangt die Norm, einen Entwicklungsplan zu erstellen. In diesem Zusammenhang sind diese Artikel lesenswert:

Kapitel 5.2: Anforderungen

Aus den Anforderungen des Produkts oder den Stakeholder-Anforderungen muss der Hersteller die Software-Anforderungen ableiten.

Kapitel 5.3 und 5.4: Architektur

In der Architektur legt der Hersteller den „Bauplan“ fest.

Kapitel 5.5 bis 5.7: Implementierung und Verifizierung

Gemäß diesem Bauplan ist dann die Software zu implementieren und zu verifizieren. Die Validierung ist nicht Gegenstand der IEC 62304, sondern der IEC 82304-1.

Kapitel 5.8: Freigabe

Die Entwicklung und Wartung schließt mit der Freigabe, die aber nicht mit der Produktfreigabe verwechselt werden darf:

Weitere Forderungen und Prozesse der Norm

Hinweis

Medizinprodukte, die Software enthalten und über externe Schnittstellen wie USB oder Ethernet verfügen, unterliegen den IT-Sicherheitsanforderungen. Bitte beachten Sie die regulatorischen Anforderungen an die IT-Sicherheit.

3. Regulatorische Bedeutung der IEC 62304

a) Nachweis der GSPR (MDR/IVDR)

Die Medizinprodukte-Verordnungen MDR und IVDR formulieren jeweils in Anhang I die sogenannten „Allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen“ (engl.: General Safety and Performance Requirements, GSPR).

Eine dieser Forderungen lautet, dass „bei Produkten, zu deren Bestandteilen Software gehört, oder bei Produkten in Form einer Software“ die

„Software entsprechend dem Stand der Technik entwickelt und hergestellt [wird], wobei die Grundsätze des Software-Lebenszyklus, des Risikomanagements einschließlich der Informationssicherheit, der Verifizierung und der Validierung zu berücksichtigen sind.“

Das ist eine gesetzliche Anforderung. Ein Verstoß dagegen kann mit Geld- und Freiheitsstrafen belegt werden.

Hersteller von Medizingeräten bzw. Medizinprodukten sollten die Konformität mit diesen Anforderungen nachweisen, indem sie harmonisierte Normen einhalten.

Die Norm IEC 62304 ist die speziell für die Lebenszyklus-Prozesse harmonisierte1 Norm. Eine weitere Norm ist die IEC 82304-1.

b) „Consensus Standard“ der FDA

Die FDA erkennt die IEC 62304 als „Consensus Standard“ an. Sie erwartet aber keine Konformität mit dieser Norm. Allerdings stellt die Behörde z. B. in ihren Leitlinien zur Software Validation vergleichbare Anforderungen.

c) IEC 62304 Zertifizierung

Einige Prüfstellen bieten eine „Zertifizierung nach IEC 62304“ an. Hersteller sollten sich der Grenzen dieser Zertifizierungen bewusst sein:

  1. Eine Zertifizierung hat keinen so hohen Wert, v. a. nicht, wenn die Prüfinstitute für diese Zertifizierung nicht akkreditiert sind. Denn solch ein Zertifikat könnte jeder ausstellen.
  2. Die IEC 62304 ist eine Prozessnorm, keine Produktnorm. Daher muss eine Prüfung die Prozesskonformität beurteilen und nicht das Produkt. Das Zertifikat sagt also nicht direkt etwas über die Produktgüte aus.
  3. Die Behauptung einiger Prüfstellen, dass die Zertifizierung dabei helfe, beim Testen Zeit zu sparen, ist nicht nachvollziehbar. Hersteller können durch Testautomatisierung sowie durch den Einsatz von geeigneten Werkzeugen und Verfahren Zeit sparen. Die Zertifizierung senkt den Testaufwand aber nicht.
  4. Im Rahmen einer Zertifizierung nach ISO 13485, die von akkreditierten Stellen vorgenommen wird, müssen Auditoren ohnehin indirekt die Konformität mit IEC 62304 prüfen, zumindest exemplarisch.

Das Johner Institut rät nicht generell von einer Zertifizierung nach IEC 62304 ab. Aber jeder sollte die „Beweiskraft“ dieser Zertifikate kennen.

4. Unterstützung bei der IEC 62304

Nutzen Sie die Unterstützung des Johner Instituts:

  • Der Auditgarant zeigt Ihnen anhand von Videotrainings, wie Sie Schritt für Schritt eine schlanke und IEC-62304-konforme Dokumentation erstellen. Ein vollständiger Satz an Templates nimmt Ihnen viel Arbeit ab.

Melden Sie sich gleich, damit wir gemeinsam die nächsten Schritte besprechen können. So stellen Sie sicher, dass die „Zulassung“ sicher gelingt und Ihre Produkte schnell in den Markt kommen.


Funktionale Anforderungen und nicht-funktionale Anforderungen unterscheidet die ISO 9126

Funktionale Anforderungen versus nicht-funktionale Anforderungen

Viele Lastenhefte und Pflichtenhefte unterscheiden funktionale Anforderungen und nicht-funktionale Anforderungen. Funktionale Anforderungen sind Anforderungen mit Bezug zur Zweckbestimmung des Produkts. Zu den nicht-funktionale Anforderungen zählen Anforderungen wie die Zuverlässigkeit und das Zeitverhalten. Dieser Artikel hilft mit Beispielen, beide Anforderungstypen zu unterscheiden, und erläutert die Auswirkung auf deren Dokumentation.

Weiterlesen

Fehlerwahrscheinlichkeit bei Software

Die Fehlerwahrscheinlichkeit bei Software lässt sich schwer abschätzen. So schwer, dass die „alte“ DIN EN IEC 62304:2006 schrieb: „Es gibt jedoch keine Übereinstimmung, wie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Software-Ausfällen unter Verwendung von traditionellen statistischen Methoden bestimmt werden kann.“ Die Norm schlussfolgerte, dass „die Wahrscheinlichkeit einer solchen Fehlfunktion als 100 Prozent angenommen werden muss“. Die hochproblematische…

Weiterlesen

IEC 81001-5-1: Die Norm für sichere Health-Software

Die Cybersecurity-Norm IEC 81001-5-1 befasst sich damit, wie IT-Sicherheit im Software-Lebenszyklus berücksichtigt werden muss.  Als spezielle Norm für Gesundheitssoftware ergänzt sie unter anderem die IEC 82304-1 bzw. die IEC 62304 und kann Lücken schließen, die dringend geschlossen werden müssen. Die EU plant die Harmonisierung der IEC 81001-5-1 derzeit mit Zieldatum 24. Mai 2024. In diesem Beitrag…

Weiterlesen

Wie Sie die Anforderungen an die Datensicherheit und den Datenschutz für DiGA erfüllen

Die Anforderungen an die Datensicherheit und den Datenschutz von DiGA (Digitalen Gesundheitsanwendungen) gehen weit über den Fragenkatalog der DiGAV hinaus. Unzählige weitere Vorschriften machen es den Herstellern (nicht nur) digitaler Gesundheitsanwendungen immer schwerer, den Überblick im regulatorischen Dschungel zu bewahren. Dabei sollten Hersteller möglichst keine Anforderungen übersehen. Andernfalls drohen Probleme bei der Zulassung ihrer Produkte.…

Weiterlesen

MDDS: Medical Device Data Systems

Am 27.09.2019 hat die FDA das Guidance-Dokument zu den Medical Device Data Systems (MDDS) als neue Version veröffentlicht. Am 19. April 2021 hat sie die Klassifizierung dieser Produkte überarbeitet. Dieses Dokument erläutert, wann Ihr Produkt (z. B. Ihre Software) als MDDS zählt, wann Sie sich auf eine Überwachung durch die FDA einstellen müssen und unter…

Weiterlesen

Decision Support Systeme als Medizinprodukt

Decision Support Systeme, zu Deutsch Entscheidungsunterstützungssysteme, finden auch in der Medizin zunehmend Anwendung. Handelt es sich dabei um Medizinprodukte, müssen diese die gesetzlichen Anforderungen (z.B. die grundlegenden Anforderungen) erfüllen. Der Hype um die künstliche Intelligenz, insbesondere das Machine Learning, und Anwendungen wie Watson wecken Hoffnungen an die Leistungsfähigkeit von Decision Support Systemen. Dieser Artikel stellt die…

Weiterlesen